Ein ewiger Antisemit?

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Ist Jakob Augstein nun ein "lupenreiner“ oder ein "schleichender“ Antisemit? Schlaglichter einer heftigen Debatte um den Herausgeber des "Freitag“.

Als hätte er es schon geahnt, schrieb der Herausgeber der deutschen linken Wochenzeitung Freitag, Jakob Augstein, im vorigen November: "Jeder Kritiker Israels muss damit rechnen, als Antisemit beschimpft zu werden.“ Genau das tat der nicht unumstrittene Publizist Henryk M. Broder denn auch, der Augstein einen "lupenreinen Antisemiten“ nann- te, einen "Überzeugungstäter, der die Chance auf eine Karriere bei der Gestapo nur verpasst habe, weil er nach dem Krieg geboren“ sei.

Eine US-Menschenrechtsorganisation, das Simon-Wiesenthal-Zentrum, hatte Broders Vorwürfe aufgegriffen und Augstein umgehend unter die ersten zehn schlimmsten Antisemiten auf ihrer Rangliste gereiht. Sie wirft dem Sohn von Martin Walser und Ziehsohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein mehrere Israel-kritische Zitate vor. Augstein fühlt sich zu Unrecht angegriffen. Er findet, dass auf diese Weise "kritischer Journalismus als rassistisch oder antisemitisch diffamiert“ werde. Seit mehreren Wochen köchelt nun schon diese Affäre.

In Deutschland erhielt der 45- jährige Augstein Unterstützung. Linksparteichef Gregor Gysi bescheinigte dem Journalisten "herausragend“ zu sein. Der Antisemitismus-Vorwurf des nach dem KZ-Überlebenden und Nazijäger Simon Wiesenthal benannten Zentrums unterstütze nur "den schleichenden Antisemitismus“. Auch in der CDU wurde der Vorwurf als "sehr gewagt“ bezeichnet.

Verschiedene Meinungen

Doch der für die Rangliste mitverantwortliche Rabbi Abraham Cooper vom Simon-Wiesenthal-Zentrum blieb bei der Einschätzung seiner Organisation: In einer der inkriminierten Äußerungen hatte Augstein eine Gruppe von ultraorthodoxen Juden in Israel mit islamischen Fundamentalisten verglichen. "Wenn man das Bild von islamischen Extremisten heraufbeschwört, deren wesentlicher Beitrag zur Welt aus Selbstmordbombenanschlägen, Extremismus und Hass besteht, und dann eine gesamte religiöse Gemeinschaft nimmt und sie so stereotypisiert, dann hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun“, sagte Cooper.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hingegen nahm den Journalisten in Schutz: "Offensichtlich ist das Simon-Wiesenthal-Center ziemlich weit weg von der deutschen Wirklichkeit“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Salomon Korn. Das Zentrum in den USA hätte besser daran getan, den Ausführungen von Henryk M. Broder nicht zu folgen. Daraufhin begann die amerikanische Menschenrechtsorganisation zurückzurudern. Es gehe nur um antisemitische Äußerungen, nicht darum, ob jemand Antisemit sei.

Broder, selbst aus einer jüdisch-polnischen Familie stammend, widmet sich in seiner Arbeit schwerpunktmäßig dem deutsch-jüdischen Verhältnis. Auch er, der gerne deftig austeilt, aber wehleidig wird, wenn es ums Einstecken geht, hat inzwischen zurückgezogen. Zumindest den Vergleich Augsteins mit dem nationalsozialistischen Politiker Julius Streicher nahm er zurück und meinte dazu: "Das war völlig daneben.“ Damit sei nun alles gesagt, meinte er, ließ aber den Antisemitismus-Vorwurf im Raum stehen. Jakob Augstein hat diese Teil-Entschuldigung Broders bisher nicht angenommen.

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