Ein Experiment, erst HALB GELUNGEN

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"Every Thing Will Be Fine": Wim Wenders wendet die 3D-Technik, die er in "Pina 3D" bereits erfolgreich ausprobiert hat, nun auch in seinem neuen Spielfilm an.

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"Every Thing Will Be Fine": Wim Wenders wendet die 3D-Technik, die er in "Pina 3D" bereits erfolgreich ausprobiert hat, nun auch in seinem neuen Spielfilm an.

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Es ist so eine Sache mit 3D. Und es ist, was das Arthaus-Filmsegment betrifft, zumindest seine Sache: Wim Wenders, einer der Altvorderen des europäischen Autorenkinos, nimmt für sich in Anspruch, den ersten Arthausfilm in 3D gemacht zu haben. "Pina 3D" hieß das Ganze und flimmerte 2011 über die Leinwände. Ein Wender'scher Dokumentarfilm über die Tanzmagierin Pina Bausch, deren leichtfüßige Choreografien sich wie kaum ein anderes Anschauungsbeispiel eigneten, in der virtuellen Dreidimensionalität filmisch lebendig zu werden.

Filmische Dreidimensionalität

Der erste Wenders-Versuch in der bis dahin -nicht nur, aber auch wegen der hohen Produktionskosten -vor allem für Action-und Animations-Blockbuster reservierten 3D-Technik zu reüssieren, war durchaus überzeugend. Auch wenn seither nicht allzu viele Nachahmer folgten.

Schon rund um die Arbeiten zu "Pina 3D", pflegt Wenders zurzeit landauf landab in Interviews zu erzählen, sei in ihm die Idee gereift, sich auch spielfilmmäßig an die dritte Dimension heranzuwagen. Und nun kommt sein diesbezügliches Werk - "Every Thing Will Be Fine" - ins Kino. Ein leiser, langsamer Film, der eine schwere Seelenlast, die auf die Schultern des Protagonisten drückt, in Bilder verwandelt. Und der nichts weniger als den Versuch filmisch begleitet, diese Last loszuwerden oder zumindest mit ihr einen Modus vivendi zu finden.

Es ist mitten im bitterkalten Winter, wo sich die kanadische Provinz Québec wirklich unwirtlich darbietet. Schriftsteller Tomas (James Franco) ist mit seinem Wagen auf verschneiter Straße unterwegs, als ihm zwei Brüder ins Auto laufen. Der eine ist tot. Ein Unfall, über den nicht nur Kate, die alleinerziehende Mutter der beiden (Charlotte Gainsbourg) und Christopher, der überlebende Fünfjährige hinwegkommen müssen, sondern vor allem Tomas selber. Das gelingt, gelind gesagt, nur sehr bedingt, und jedenfalls die Beziehung zu seiner Gefährtin Sara (Rachel McAdams) geht in die Brüche.

Über zwölf Jahre spannt sich der Bogen des Films, Tomas scheint sich allmählich mit neuer Partnerin Ann (Marie-Josée Croze) und deren Tochter Mina zu erfangen - bis Christopher, der Überlebende, als Teenager wieder in Tomas' Leben tritt und die noch nicht vernarbte Wunde neu aufzubrechen droht.

Bisherige Sehgewohnheiten gestört

Ein Plot, der für große Psychogrammatik ebenso viel bereitzuhalten verspricht wie für große Gefühle. Doch derartige, geradezu klassische Handlungsverläufe, die bereits in vielerlei Variationen auch filmisch bereits umgesetzt wurden, erhalten in der ungewohnten 3D-Technik doch andere Qualität. Mit 3D sei es so, sagt Wim Wenders, als wenn man mit einem Vergrößerungsglas auf die Dinge schauen würde. Das böte den Schauspielern "eine unglaubliche Chance, vor der Kamera eine größere Präsenz als je zuvor zu haben".

Tatsächlich werden bisherige Sehgewohnheiten durch die neue Spielfilmtechnik gestört. Doch es ist nicht intensivere Präsenz zu erleben, sondern eher ein Schleier, der übers Geschehen, von dem der Film erzählt, gelegt wird. Der Seelenkonflikt, an dessen Lösung der Zuschauer beteiligt wird, bleibt auf diese Weise arg in der Schwebe.

Vielleicht will Wim Wenders ja genau das. Und es kann sein, dass sich die Rezeptionsgewohnheiten des Publikums mit mehr Leinwandopera in der dritten Dimension verändern. Aber noch ist es nicht so weit, noch überwiegt eher die Störung denn der Genuss eines neuen Reizes an filmischer Umsetzung.

Überzeugende Filmmusik

Die leisen bis lauten Zweifel an der cinematografischen Machart von "Every Thing Will Be Fine" werden aber von Alexandre Desplats Musik eigentlich aufgewogen: Wie der Soundtrack das Seelenleben der Protagonist(inn)en und den Lokalkolorit in der frankokanadischen Provinz zu verschiedenen Jahreszeiten unterstreicht, macht den Film dann doch zum Erlebnis.

Wim Wenders ist ein Experimentator. Man kann es ihm nachsehen, dass ihm dieser Versuch (noch) nicht zu 100 Prozent gelingt.

Every Thing Will Be Fine

D/CDN/F/S/N 2015. Regie: Wim Wenders. Mit James Franco, Rachel McAdams, Mare-Josée Croze, Charlotte Gainsbourg. Warner. 118 Min.

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