Ein gut trainiertes Rennpferd

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Das Auktionshaus Im Kinsky bekommt eine neue Leitung. Vor dem Wechsel sprach die FURCHE mit dem scheidenden und dem designierten Direktor.

Anfang Mai löst Nikolaus Schauerhuber den langgedienten Geschäftsführer Otto Hans Ressler ab. Ein Gespräch über das Rekordjahr 2010, Sammlerkontakte, Spekulation versus Freude an der Kunst, die Auswirkungen der Finanzkrise und neue Kundenschichten.

Die Furche: Wie konnte 2010 das absolute Rekordjahr für Im Kinsky mit 28 Millionen Euro Zuschlägen und einer 37-prozentigen Steigerung werden? Das war ja wohl nicht nur Schieles Gemälde "Prozession“, das 4,4 Millionen Euro einbrachte.

Otto Hans Ressler: Für 2009 hatte ich Schlimmes erwartet, hatte mit einem Umsatzrückgang um ein Drittel wegen der Finanzkrise gerechnet. Die letzten Auktionen 2008 waren nicht zum Lachen. Wir sind auf die Kostenbremse gestiegen - und dann hatten wir das zweitbeste Jahr bis dahin. 2010 haben wir unsere Ängste endgültig abgelegt und hatten das Glück, Schieles "Prozession“ zu bekommen und zwei tolle Auktionen zu haben.

Die Furche: 2009 war für Galerien durchaus ein Krisenjahr, der Auktionsmarkt blieb stabiler. Wie gelang das?

Ressler: Auch für die Auktions-Mitbewerber war es kein Krisenjahr, weil in Österreich Formen der Spekulation, die es international sehr wohl gibt, nicht vorkommen. Die einzige Problematik war, dass es schwierig war, an Werke zu kommen. Viele Einbringer haben wie wir geglaubt, es gehe schlecht, und wollten uns nichts geben. Andererseits kamen Leute, die sagten: Wir haben kein Vertrauen mehr in die Banken und geben unser Geld lieber bei Ihnen aus. Wir beobachteten klar ein Ausweichen in Sachwerte, die Spaß machen und Reputation bringen.

Nikolaus Schauerhuber: Ich habe in dieser Zeit den internationalen Kunstmarkt beobachtet, hier gab es sehr wohl starke Rückgänge.

Die Furche: Ist die Nachfrage nicht auch hierzulande gesunken?

Ressler: Es sind Kunden ausgeblieben, das wurde aber durch zusätzliche neue Kunden aus dem Ausland wettgemacht. Die Globalisierung macht auch vor dem Auktionsmarkt nicht Halt und bringt Chinesen und Inder, die sich erstmals für österreichische Kunst interessieren.

Die Furche: Gibt es Veränderungen in dem, was gefragt ist? Wird mehr auf "sichere“ Werke, auf Schiele, Klimt und Kokoschka gesetzt?

Schauerhuber: Ich habe einen neuen Eklektizismus festgestellt. Die spezialisierten Sammler, die nur Landschaften des Biedermeier oder nur einen Künstler sammeln, werden weniger. Es gibt jetzt Menschen, die Rainer kaufen, aber ebenso 19. Jahrhundert. Die Neuen haben ein Gefühl für Qualität, aber sie trennen sich auch wieder, was ja für den Auktionsmarkt das Wichtige ist.

Ressler: Ich habe dieselbe Beobachtung gemacht. Es hat sich viel geändert, die großen Mainstreams ziehen ins 20. Jahrhundert, während das 19. sich schon seit Jahren schwer tut. Die Haupttrends sind aber weiterhin Klassische Moderne und Zeitgenossen.

Schauerhuber: Das belegen auch Studien. Die Medien machen glauben, dass zu 90 Prozent Zeitgenossen gekauft würden, weil über diese Verkäufe mehr berichtet wird. In Wahrheit ist aber die Klassische Moderne die wichtigste Säule.

Die Furche: Sie sagen, es wird wenig bis gar nicht spekuliert, aber welche Rolle spielt Kunstkauf als Investment?

Schauerhuber: Mir geht die Diskussion oft zu sehr in Richtung Geld anlegen, mag schon sein, dass es das gibt. Aber Kunstkauf ist im Gegensatz zu Aktien- und Immobilienkauf ja etwas Hochemotionales. Der Mensch muss Freude und Lust daran haben, sonst kauft er nicht. Bei einer Auktion kommen diese Emotionen zum Tragen.

Ressler: Ich glaube auch, dass Spekulation in Österreich so gut wie keine Rolle spielt. Das zeigt sich ja allein schon daran, dass ich ununterbrochen mit Kunden kämpfe, damit sie etwas hergeben. Verkauft wird nicht zur Spekulationszwecken, sondern wenn Leute die Sammlungsrichtung verändern, wenn es eine Scheidung oder finanzielle Probleme gibt. Unser Job wäre ja leichter, wenn die Leute spekulierend kauften. Ich kenne einen Sammler, der immer nur von der Wertsteigerung seiner Werke geredet hat, und es ist mir doch nie gelungen, auch nur einen Hosenknopf von ihm zu kriegen.

Die Furche: Wie konnte man den New Yorker Sammler dazu bringen, Schieles "Prozession“ hier versteigern zu lassen?

Ressler: Seine Überlegung war durchaus klug. Es ist ja ein schwieriger Schiele. In New York wäre es ein Schiele unter einer Vielzahl von Highlights gewesen, so etwas kommt dort leicht unter die Räder.

Die Furche: Konnten Sie, Herr Schauerhuber, schon Kontakte zu Sammlern aufbauen?

Schauerhuber: Natürlich war ich bisher eher in Ihrer Situation und habe Herrn Ressler interviewt. Den einen oder anderen Sammler habe ich im Zuge meiner langen Arbeit in der Branche bereits kennengelernt. Aber sicher nicht so viele, weil diese nicht an Kontakten mit Journalisten interessiert sind.

Die Furche: Herr Ressler, gibt es hier eine geordnete Übergabe, in der Sie Herrn Schauerhuber noch mit Sammlern bekannt machen?

Ressler: Es wird eine Phase des Übergangs geben.

Schauerhuber: Gott sei Dank.

Ressler: Ich werde so lange zur Verfügung stehen, bis er mich nicht mehr aushält oder bis er sagt, jetzt will ich es alleine machen. Es gibt kein Zeitlimit.

Die Furche: Sie werden auch noch als Auktionator zur Verfügung stehen?

Ressler: Es gibt die Idee, dass wir das gemeinsam machen.

Schauerhuber: Das wird fließend passieren. Herr Ressler ist so ein hervorragender Auktionator. Es ist natürlich eine Umgewöhnung für unser Publikum. Wir wollen es nicht schockieren und wir wünschen uns einen sanften Übergang.

Ressler: Die Auktion ist jener Ort, an dem das Haus nach außen repräsentiert wird, das ist die Aufgabe des Chefs. Ich habe mir das nie nehmen lassen. Auktionen zu leiten ist zwar unglaublich anstrengend, aber auch interessant. Da oben zu sitzen und Schiedsrichter zu spielen ist ja die Funktion, einen permanent schwelenden Streit von Leuten, die dasselbe wollen, geordnet zu schlichten. Und die Stimmung kann einzigartig werden. Bei der Versteigerung des Ernst-Huber-Nachlasses habe ich mich gar nicht getraut, eine Pause zu machen, um die Stimmung nicht zu verlieren. Damals standen die Leute bei den Türen hinaus und haben Mitarbeiter bestechen wollen, um noch hereingelassen zu werden. Es war spannend.

Die Furche: Man hört von einer geringen Zahlungsmoral der neuen Kunden aus fernen Ländern …

Ressler: Generell haben wir Kunden mit hoher Zahlungsmoral, aber in Einzelfällen gab es ein Verständigungsproblem. Wir hatten einen japanischen Kunden, der nicht bezahlt hat, weil er ein Detail der Abwicklung nicht kapiert hat. Das ist ihm auseinandergesetzt worden, dann hat er sich entschuldigt und sofort gezahlt.

Die Furche: Der Markt wird immer noch multikultureller …

Ressler: Es gibt eine weltweite Informationsmöglichkeit, bei uns tauchen permanent neue Kunden auf, die wir nie angesprochen haben, aus China, Ukraine, Russland, weil sie uns aus dem Internet kennen und etwas entdecken. Man sucht bestimmte Künstler mit Internetprogrammen. Der Schiele könnte im tiefsten afrikanischen Busch angeboten werden und würde gefunden. Es bleibt nur noch sehr wenig unentdeckt.

Die Furche: Muss man hier mehr auf social media und dergleichen setzen?

Schauerhuber: Was den Umgang mit neuen Medien betrifft, muss man sich laufend anpassen. Ich kann mir durchaus vorstellen, iPhone-Apps zu entwickeln.

Die Furche: Wie kann man nach dem Sensationsjahr 2010 und einem guten 2009 starten?

Schauerhuber: Jetzt diese Chance zu kriegen, ist eine Herausforderung, aber mir ist es jetzt lieber als nach einem schlechten Jahr. Ich kenne viele Journalisten, die am Rand des Fußballfelds stehen und beschreiben - ich kriege jetzt die Chance auf das Feld zu gehen und mich unter die 22 zu mischen, die im Kunstmarkt spielen. Und das nach der Aufbauarbeit, dieser Erfolgsgeschichte des Kinsky, das ist fantastisch. Die Herausforderung ist mir bewusst, es ist nicht so, dass ich das locker nehme.

Ressler: Es wäre trotzdem unfair, 2010 als Vergleich zu nehmen - auch dieser Tage haben wir 900 Werke ersteigert und 3,6 Millionen zusammen gebracht. Da sieht man, welche Bedeutung ein Schiele um 4,4 Millionen hat.

Schauerhuber: Nach 2010 bekomme ich ein gut trainiertes Rennpferd, auf das das Ausland schaut. Ich muss jetzt schauen, dass es im Training bleibt.

Ressler: Das wird schon klappen, weil der alte Jockey endlich abgestiegen ist vom Sattel.

Das Gespräch führte Theresa Steininger

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