Ein Happy End - und noch ein bisschen mehr

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Nach 13 Jahren erfolgreicher Intendanz verlässt Brigitte Fassbaender das Tiroler Landestheater. Ihre Abschiedsinszenierung von Brittens "Albert Herring“ geht 2014 an die Wiener Volksoper.

Tutto nel mondo è burla“ - "Alles ist Spaß auf Erden“: Mit der Schlussfuge von Verdis "Falstaff“ schließt Brigitte Fassbaender am 8. Juli ihren Vorhang am Tiroler Landestheater. Offiziell amtiert die Intendantin bis 31. August 2012, dann wird sie von Johannes Reitmeier abgelöst. Nach 13 Innsbrucker Jahren und einem künstlerischen Höhenflug fällt der Intendantin und dem Publikum der Abschied schwer. Fassbaenders persönliches Mittel dagegen: ab 9. Juli ihr Eppaner Liedsommer samt Meisterkurs in Südtirol; Neuinszenierung von Donizettis "Don Pasquale“ am Münchner Cuvilliés-Theater (Premiere 25. Oktober); danach Humperdincks "Hänsel und Gretel“ an der Grazer Oper (15. Dezember).

Die Wiener Volksoper übernimmt 2014 Brigitte Fassbaenders Inszenierung von Benjamin Brittens "Albert Herring“, die kürzlich am Tiroler Landestheater herauskam. Die Produktion wird dann am Gürtel hauseigen besetzt und in deutscher Sprache gesungen.

Witz aus tiefem Ernst

In Innsbruck ist das britische Original zu erleben - mit hohem Anteil englischsprachiger Sänger und Sängerinnen, die Brittens Zwischentöne vermitteln können. Gesungen wird rollendeckend-spritzig in fabelhafter Ensemblepräzision und köstlicher Typenzeichnung. Fassbaender sucht in ihren Inszenierungen neue Blickwinkel und hat mit den Jahren ihre Personenführung geschärft. Erstaunlich ist ihre Profilierung am schwierigen Metier der komischen Oper, wie sie sie derzeit mit "Falstaff“ und "Albert Herring“ zeigt. Ihr Witz entspringt tiefem Ernst, sie schafft es eine widerspruchslose, tiefe Tragikomik zu visualisieren.

So trägt auch "Albert Herring“ ihre Handschrift. Mit scharfem, aber nie desavouierendem Blick entblößt sie spießbürgerliche Mechanismen, die auf Kosten Einzelner gehen, und ihre Zuneigung gehört diesen Opfern, denen sie ein bisschen mehr als ein Happy End beschert. Auch Albert Herring. Für den jungen Mann ist nicht alles Spaß auf Erden, er arbeitet im Gemüseladen seiner Mutter, fügsam und fleißig, ein Tugendbold wider Willen. Mangels sittlich geeigneter Mädchen wird Albert Maikönig: eine Auszeichnung für Anstand und Sitte. Albert bekommt den Tugendkranz, 25 Pfund und eine Feier. Freund Sid schüttet ihm, vom Orchester unterstützt mit Wagners Liebestrank-Motiv, Rum in die Limonade. Da weiß Albert: Er wird "den Geschmack gewisser Dinge ausprobieren, die das Gebetbuch unter ‚Sünde‘ verzeichnet“.

Das wurde heiter, klug und köstlich in der spätviktorianischen Prüderie umgesetzt, jede Figur ist musikalisch gleichwertig ausgestattet und treffend charakterisiert, abgerundet durch Bettina Munzers Ausstattung. Ihr Bühnenbild, eingerahmt durch alte Fotoränder, dominieren die mäandernde Straße durchs Städtchen, eine große Mauer und davor die Schattenrisse viktorianischer Gestalten, ein Kippbild als optische Umsetzung des Wahrnehmungswechsels. Das Ensemble mit dem jungen, idealen Joshua Lindsay in der Titelrolle sowie Susanna von der Burg, Anne Schuldt, Christine Buffle, Dale Albright, Joachim Seipp, Marc Kugel, Jennifer Maines, Todd Boyce und Marija Jokovic findet seine kammermusikalisch virtuose Entsprechung in den zwölf Solisten des Tiroler Symphonieorchesters unter der souveränen Leitung von Alexander Rumpf, der Brittens Rhetorik unterfüttert und kommentiert.

Schwellenangst abgeschafft

Brigitte Fassbaender führte das Tiroler Mehrspartentheater, dessen Aufbruch vor ihr Dominique Mentha probte, in eine Erfolgsgeschichte. Mit einem anspruchsvollen, aktuellen Spielplan vom Klassiker bis zu zahlreichen Uraufführungen gelang ihr eine Spitzenauslastung von über 90 Prozent. Freilich nicht allein: An ihrer Seite hatte sie Klaus Rohrmoser als Schauspielchef, im Tanztheater nach Jochen Ulrich und Birgit Scherzer nun Enrique Gasa-Valga und mit Harald Mayr einen bewährten kaufmännischen Direktor, der sie durch die Klippen von Umstrukturierung und Neubauten steuerte. Pro Spielzeit werden mindestens 25 Premieren und bis zu 490 Vorstellungen bewältigt. Schwellenangst ist abgeschafft.

Das Haus am Rennweg wurde überregional bekannt, Brigitte Fassebaender mit internationalen Ehren überschüttet. Sie lud ehemalige Kolleginnen und Kollegen wie Anneliese Rothenberger, Edita Gruberova, Gundula Janowitz, Otto Schenk zu Künstlergesprächen, und in den Logen saßen Besetzungschefs, um ihren Sängernachwuchs abzuwerben. 2006 ist das Tiroler Landestheater von den Fachzeitschriften Deutsche Bühne und Opernwelt für die Kategorien "Bestes Opernhaus“ und "Beste künstlerische Gesamtleistung“ nominiert worden.

Weitere Termine

29. Juni, 5. Juli

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