Ein Heilszeichen entsteht

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Im Urchristentum war das Kreuz keineswegs das Heilszeichen, als das es heute verstanden wird. Die Konstantinische Wende markierte auch eine Hinwendung der Christen zum Kreuz.

Eine Kreuzigung war im Römischen Reich dann nötig - oder möglich - wenn sich der Delinquent einer derart guten Gesundheit erfreute, dass ihm nicht bereits das Verhör das Leben gekostet hatte. Römische Juristen berichten, dass die meisten Delinquenten schon beim Verhör verstarben - auch die Verhörmethoden, die bei Jesus angewendet worden waren, hätten wohl ausgereicht, einen Menschen dauerhaft zu schädigen oder gar zu töten. Die Kreuzigung war eine besonders grausame Strafe. Nur an Sklaven und Nichtrömern im Fall von Kapitalverbrechen vollstreckt, ging von ihr eine besondere Abschreckung aus.

Die Kritik an der christlichen Botschaft, die im ersten Korintherbrief zu spüren ist, entspricht durchaus dem antiken Empfinden (1 Kor 1,23): "Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.“ Allein die Art des Todes brachte für jeden Römer zum Ausdruck, dass sich der Mann eines Kapitalverbrechens schuldig gemacht hatte, und ließ die christliche Behauptung, dass dieser Mann ein Heilsbringer sei, absurd erscheinen: Dies zeigt auch ein antikes Graffito, das in Rom am Palatin entdeckt wurde: Es stellt einen Menschen mit Eselskopf an einem Kreuz dar. Die Beischrift lautet: "Alexamenos verehrt seinen Gott.“

Konstantin und Helena

Mit der Vision des Kaisers Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312, die ihn dazu bewegt haben soll, seine Truppen mit einem christlichen Zeichen auszustatten - wobei in der Forschung umstritten ist, was genau dieses Zeichen gewesen sei - beginnt auch im eigentlichen Sinn die Geschichte des Kreuzes als eines christlichen Symbols. Kaiserin Helena, die Mutter Konstantins des Großen, ließ im Jahr 325 Grabungsarbeiten in Jerusalem durchführen, um das Kreuz Christi zu finden. Dabei wurden drei Kreuze zutage gefördert.

Über die Identifizierung des Kreuzes gibt es unterschiedliche Überlieferungen. Während nach Ambrosius von Mailand der Titulus die Identifizierung ermöglicht habe, habe anderen Überlieferungen zufolge das wahre Kreuz ein Wunder vollbracht, wobei keine Einstimmigkeit der Überlieferungen über das Wunder besteht: Teils wird berichtet, dass eine Tote durch die Berührung mit dem wahren Kreuz wieder zum Leben erweckt worden sei, teils, dass eine schwer kranke Frau durch die Berührung eines der Kreuze gesund geworden wäre. Aus dem Unheilszeichen ist durch diese Überlieferung endgültig ein Heilszeichen geworden.

Frömmigkeit des vierten Jahrhunderts

An dem Ort, an dem die Kreuze gefunden worden waren, ließ Kaiserin Helena die Grabeskirche errichten. Eine Pilgerin, die in den achtziger Jahren des vierten Jahrhunderts das Heilige Land besuchte, berichtet von der Verehrung des Kreuzes: Eine mit Gold und Silber verzierte Schachtel, in der sich Holz vom Kreuz und der Titulus befinden, wird den Pilgern am Karfreitag zur Verehrung dargeboten. Solange das heilige Holz auf dem Tisch liege, so berichtet die Pilgerin, stünden Diakone daneben und bewachten es, während die Gläubigen einzeln zu diesem Tisch träten und das Holz küssten. Die Bewachung durch die Diakone sei deswegen so streng, weil es bereits vorgekommen sei - die Pilgerin gesteht in diesem Zusammenhang, dass sie selbst nicht wisse, wann sich der Vorfall ereignet habe - dass jemand ein Stück des Holzes abgebissen und gestohlen habe.

Der Bericht gibt einen lebhaften Einblick in die Frömmigkeit des vierten Jahrhunderts. Der Wunsch, ein Stück der Reliquie zu besitzen, der Wunderkraft zugeschrieben wurde, überwog offensichtlich die Skrupel, einen dreisten Diebstahl vor den Augen kirchlicher Amtsträger zu begehen. Die Frage, ob eine derartige gestohlene Reliquie etwas von ihrer Wunderkraft verlieren könnte, wurde offensichtlich verneint.

Dies stellt jedoch auch den Abschluss einer Entwicklung dar, innerhalb derer das Zeichen des Kreuzes zu einem zentralen Zeichen des Christentums geworden ist. Frühchristliche Darstellungen aus der Zeit vor Konstantin verwenden häufig den guten Hirten. Ein Symbol, das die liebende Fürsorge Gottes zum Ausdruck bringen kann, ohne dass eine Erklärung nötig wäre.

Der Autor leitet ein Forschungsprojekt des Wissenschaftsfonds (FWF) zu koptischen Handschriften an der Universität Wien

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