Ein historisches Ritterschauspiel im Hier und Heute

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Landestheater Linz: Heinrich von Kleists „Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe“. Eine moderne, fast lupenreine Inszenierung von Ingo Kerkhof in den Kammerspielen, in der das Ensemble seine hohe künstlerische Präsenz zeigen konnte.

Schon die Lektüre des einstigen Schulstoffes des großen deutschen Dichters Heinrich von Kleist (1777–1811) könnte einen leicht die Geduld verlieren lassen, erst recht eine vielleicht fünfstündige Aufführungsdauer. Doch diese Sorge wäre unbegründet. Der versierte deutsche Gastregisseur Kerkhof, kein Unbekannter in Linz, hat den gewaltigen Textkorpus mit dem Untertitel „Ein großes historisches Ritterschauspiel“ – (Uraufführung Wien, 1810) – auf 100 pausenlose Minuten verkürzt, unbeschadet der kunstvollen Sprache, aber zum besseren Verständnis der Handlung, die Kerkhof weitgehend schlüssig aus dem mittelalterlichen Schwaben ins Hier und Heute versetzt hat, ja, er hat ihr sogar parodistische Lichter aufgesetzt.

Käthchen, ein Kinder unserer Zeit

Das blutjunge Käthchen (eine Paraderolle für die großartige Barbara Novotny), das seinem äußerst erzürnten Vater (Joachim Rathke) davonläuft und dem Grafen Wetter vom Strahl (Konstantin Bühler, edel in Erscheinung und Sprache) zwanghaft folgt, in dessen Ställen schläft und partout nicht heimkehren will, ist nicht mehr das devote Mädchen früherer Jahre, das dem Grafen stets mit einem gehauchten „Ja, mein hoher Herr!“ antwortet. Käthchen ist vielmehr ein Kind unserer Zeit, eigenwillig, beherzt und tatkräftig, so weit sie es in aller Unschuld vermag. Konsequent widersetzt sie sich allen Befehlen ihres Vaters, der den Grafen sogar vor ein Femegericht gebracht hatte, weil dieser seine Tochter verhext habe. Doch Graf Wetter vom Strahl kann sich glaubwürdig verteidigen und wird freigesprochen. Aber es kommt noch viel dicker: Ein Verwirrspiel von Lügen, Intrigen und einer Fehde, in der mit Pistolen geschossen wird, ausgelöst von der adeligen Kunigunde (Julia Ribbeck, elegant und gefährlich), auf die der Graf beinahe hereinfällt, ein versuchter Giftmord an Käthchen, der auch eine Feuersbrunst nichts anhaben kann, und schließlich das Happyend dieser Räuberpistole: Das Käthchen, ein „Seitensprung“ des Kaisers, wird als Prinzessin von Schwaben die Gemahlin des Grafen vom Strahl, womit sich die traumhaften Weissagungen eines Engels, durch die sie unbewusst beide schon längst miteinander verbunden waren, bewahrheitet.

Kerkhof hatte nicht nur den Text, sondern auch die Personnage reduziert: So spielen fünf Schauspieler und drei Schauspielerinnen 17 Rollen! Hervorzuheben sind noch Manuel Klein als braver Gottschalk, der sich witzig-spritzig zu geben weiß und Lutz Zeidler als fast karikaturesker Kaiser mit Papierkrone. Thomas Bammer hat – frei nach Georg Danzer: „Was macht a Nackata beim Käthchen von Heilbronn?“– als splitternackter Ritter eine unmotivierte und daher unnötige Szene abzuliefern.

Auch für die zahlreichen Szenenwechsel fand sich eine praktikable Lösung: Florian Parbs hat die Bühne in einen riesigen, nach vorne offenen Kasten verwandelt, auf dessen Rückwand die jeweiligen Ortsangaben in großen Lettern zu lesen sind. Insgesamt gesehen: Eine Produktion, in der das Ensemble seine hohe künstlerische Präsenz zeigen konnte.

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