Ein Hitler-Porträt auf der documenta

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Waren Sie schon auf der documenta? Bis Mitte September ist noch Zeit. Am Ende werden mindestens 800.000 Menschen diese anspruchsvolle Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Kassel gesehen haben. Gut so! Eine kluge Ausstellung, die Geist und Sinne öffnet - und doch mit einem verstörenden Fauxpas behaftet ist. Im Zentrum der Ausstellung, in einem auratischen Raum namens "Brain“, darf man sich im Hirn der Ausstellungsmacherin umsehen. Hier hat Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev ihre Inspirationsquellen versammelt. Bildende Kunst steht neben Keramikvasen, neben Kriegsrelikten, neben Antiquitäten, neben Postkarten, neben einem Hitler-Porträt. - Einem Hitler-Porträt?

Viel Platz ist hier einem historischen Ereignis gewidmet: 1945 war die amerikanische Fotografin Lee Miller in der Münchner Wohnung von Adolf Hitler und Eva Braun. Christov-Bakargiev zeigt die Fotoserie, in der Miller sich selbst beim Bad in Hitlers Wanne abgelichtet hat, und Millers "Souvenirs“ aus der Wohnung: einen Parfumflakon, ein zerschlissenes Handtuch, das besagte Hitler-Foto im Schmuckrahmen. Dass im Zentrum einer der bedeutendsten kulturellen Manifestationen Deutschlands im Jahr 2012 ein Porträt von Adolf Hitler gezeigt wird - ist das ein Skandal, ist es nur befremdlich, oder ist es als Bildzitat zum Thema "Zusammenbruch und Neubeginn“, das die documenta begleitet, ganz legitim?

Theorien des Repräsentierens sind heute hoch entwickelt. Wir wissen, dass Zeigen immer auch Identifikation und Anerkennung bedeutet. Ein Abbild von Adolf Hitler in gleicher Weise auszustellen wie eine Zeichnung von Gustav Metzger, dem als jüdischem Kind seine deutsche Heimat gestohlen wurde, ist inakzeptabel. Es gibt Gesten, mit denen sich Distanzierung von einem Dokument ausdrücken lässt. Man hätte das Hitler-Foto einfach umdrehen und nur die Rückseite zeigen können.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseums Linz

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