Ein Käfig voller Träumer

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Konventionelle "Glasmenagerie"-Inszenierung im Theater in der Josefstadt.

Die Tennessee-Williams-Renaissance ist in vollem Gange. Die jüngste Premiere im Wiener Theater in der Josefstadt bescherte ein Wiedersehen mit jenem Stück, das für Williams am 26. Dezember 1944 den Durchbruch als Dramatiker bedeutete: "Die Glasmenagerie".

Wenn der Erzähler Tom zu Beginn betont, hier werde die "Wahrheit" erzählt, übertreibt er nicht. In der Gestalt dieses Tom Wingfield breitet Tennessee Williams Details aus seiner eigenen Familiengeschichte aus, er gibt auch Ort (St. Louis) und Zeit (in Spanien begann damals der Bürgerkrieg) genau an. Er berichtet von seinem eigenen Ausbruch aus tristen familiären Verhältnissen, zugleich aber aus einer Art Wolkenkuckucksheim, in dem sich jeder seine Traumwelt zurechtgezimmert hat. Das Bühnenbild von Achim Römer, ein luftiger Käfig vor einem wolkigen Himmel in verschiedenen Grautönen, schafft dazu das richtige Ambiente.

Mutter Amanda Wingfield, von ihrem Alkoholiker-Gatten verlassen, lebt mit Vorliebe in ihrer Vergangenheit als Südstaaten-Schönheit und schwadroniert von ihren einstigen 17 Verehrern. Tochter Laura ist durch eine leichte körperliche Behinderung zur Außenseiterin geworden, die keine Ausbildung geschafft hat und sich in die Welt ihrer Glastiere einspinnt; mit ihrem Einhorn zerbricht auch ihre Beziehung zur Außenwelt. Und der zur Schriftstellerei tendierende Sohn Tom sucht nach hartem Tagwerk im Lagerhaus, das der Familie das bescheidene Auskommen sichert, seine Traumwelt im Kino. Sein Freund Jim O'Connor wirkt wie die Personifizierung des amerikanischen Traums: zumindest äußerlich total selbstsicher und überzeugt vom bevorstehenden Aufstieg auf der Karriereleiter. Das Verhalten jeder dieser Personen wirkt absolut verständlich, keiner kann aus seiner Haut heraus, und keiner vermag wirklich auf die anderen einzugehen. Die tragische Figur ist Laura, die sich in den für sie unerreichbaren Jim verliebt. Sie zerbricht an der Begegnung mit ihm, als es zu ein paar Tanzschritten und einem flüchtigen Kuss kommt, sie aber dann von seiner bevorstehenden Hochzeit mit einer anderen erfährt. Tom macht sich am Schluss aus dem Staub, in seiner Rolle als Erzähler offenbart er sein schlechtes Gewissen, weil er seiner Schwester keine Stütze sein konnte.

In Wolf-Dietrich Sprengers Inszenierung läuft die Handlung ohne Pause in etwa 100 Minuten ab - auch punkto Musikuntermalung (Michael Rüggeberg) sehr gediegen konventionell, für Regietheater-Liebhaber mit Sicherzeit zu museal, aber dank der Darsteller nie langatmig. Der den Höhepunkt des Geschehens markierende Donnerschlag war jedenfalls entbehrlich. Traute Hoess (Amanda) wirkt, insbesondere als sie im blumig-antiquierten Mädchenkleid auftritt, vor allem komisch, hat aber auch starke ernste Momente. Gertrud Drassl (Laura) gestaltet ihre Rolle nicht nur lieblich, naiv und bedauernswert, sondern auch trotzig und kantig. Boris Eder (Jim) kehrt den nicht unbedingt sympathisch wirkenden Sonnyboy heraus, während Michael Dangl (Tom) überzeugend zwischen der Rolle des unzufriedenen Sohnes und jener des ihm nahe gehende Ereignisse schildernden Erzählers pendelt. Die Premiere wurde vom Josefstadt-Publikum sehr zufrieden, aber ohne Überschwang aufgenommen.

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