Ein Kindstod und das Haschen nach Effekten

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"The Broken Circle Breakdown“: Felix van Groeningen erzählt vom Glück eines Paares, das durch den Krebstod der Tochter zerstört wird.

W äre Felix van Groenigens Film "The Broken Circle Breakdown” eine Person, müsste man eine bipolareStörung diagnostizieren. In seiner Geschichte über ein Paar, das damit fertig werden soll, dass die kleine Tochter an Krebs gestorben ist, wechselt Groeningen geradezu manipulativ zwischen traurigen und fröhlichen Momenten, also emotionalem Stress für den Zuseher und emotionaler Erleichterung; der dadurch unweigerlich entstehenden Bindung an den dramatischen Moment (jedes Mal verstärkt durch die Musik), wird man sich kaum entziehen - es sei denn, man spürt, dass dieses System hier sehr bald zum deutlich Effekt haschenden Schema gerät.

Wenn Didier mit Elise

Im Detail geht es um Didier (Johan Heldenbergh), ein Neo-Bohemian-Cowboy, der in einer Bluegrass-Band spielt und in einem Wohnwagen wohnt, der neben einem Haus geparkt ist, das er seit einiger Zeit renoviert. Als er die quirlige Elise (Veerle Baetens) kennenlernt, bekommt die Angelegenheit neue Dringlichkeit, weil sie ihm nach leidenschaftlichen Monaten mitteilt, sie sei schwanger. Zuerst zögert Didier, dann aber ist er Vater und Partner mit ganzer Kraft und Elise singt als Frontfrau in seiner Band.

Auf so viel Schönes (auch die Ausstattung ist perfekt bis ins Detail), folgt bei Groenigen und Heldenbergh (auf dessen Theaterstück der Film basiert) konsequent Tragisches, aber das keineswegs chronologisch. Alles, was wir über Didier und Elise wissen, erfahren wir durch Flashbacks und Flashforwards. Das soll den "emotional Roller-Coaster“-Effekt erzielen, wirkt aber bald forciert. Die Abwärtsspiral-Wirkung von Maybelles Krankheit auf die Beziehung von Didier und Elise, gerät schablonenhaft, aber das größere Problem liegt in der Entscheidung, noch eine zweite Tragödie einzubringen, als Elise nach Maybelles Tod depressiv wird. Der Film kippt hier nicht nur endgültig ins überzeichnete Melodrama, sondern nimmt jetzt auch noch religiöse Fragen auf.

Das Versagen des Atheisten

"Ausgerechnet“ Didier ist der Atheist, der seiner Tochter nicht versprechen konnte, dass sie ein Stern wird, wenn sie stirbt. Gerade er als Vertreter einer Musikrichtung, die sowohl stark religiös als auch patriotisch infiltriert ist, glaubt an nichts. Vor allem aber glaubt er "nicht mehr an Amerika, als ein Land der Träume“, erkennt er, als er gerade George W. Bushs Rede gegen die Stammzellen-Therapie hört, übrigens kurz nachdem er die Nachrichten über den Einsturz des World Trade Centers gesehen hat. Die Kalkulierung, die der Film hier offenbart, ist sein absoluter Tiefpunkt: Die Figuren werden aus jeder Ehrlichkeit gerissen, und es wirkt so, als wären sie auch Groenigen und Heldenbergh in Wirklichkeit völlig fremd. Wenn es je den Zeitpunkt für einen echt gefühlten Breakdown in diesem Film gibt, dann an dieser Stelle. Das Verständnis eines übergeordneten Kreises als gnadenvolles Ganzes dagegen, wirkt dabei mehr als gewollt.

The Broken Circle Breakdown

B/NL 2012. Regie: Felix Van Groenigen.

Mit Johan Heldenbergh, Veerle Baetens.

Filmladen. 111 Min.

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