Ein Könner im Schatten eines Genies

19451960198020002020

Antonio Salieri, heute nur noch als angeblicher Mörder Mozarts bekannt, zum 250. Geburts- und 175. Todestag.

19451960198020002020

Antonio Salieri, heute nur noch als angeblicher Mörder Mozarts bekannt, zum 250. Geburts- und 175. Todestag.

Werbung
Werbung
Werbung

Zeit seines Lebens war er ein bekannter, hoch angesehener Komponist, heute kennen ihn die Meisten nur noch als angeblichen Mörder Mozarts: Antonio Salieri, dessen 250. Geburtstag und 175. Todestag ins heurige Jahr fällt. In Peter Shaffers Theaterstück "Amadeus" und im gleichnamigen Film von Milos Forman wurde die Figur Salieri weltbekannt als jener Hofkapellmeister, der sich angesichts des Genies Mozart seiner eigenen Durchschnittlichkeit bewusst wird und seinen Konkurrenten schließlich ermordet. Der echte Salieri hingegen, ist gerade in Wien, wo er lange Zeit erfolgreich wirkte und auch starb, beinahe vergessen. Anfang Mai wurde eine Gedenktafel an seinem Sterbehaus in der Göttweihergasse enthüllt, am 31. Mai würdigt ihn der Musikverein mit einem Konzert. Eine Oper von Salieri steht jedoch auf keiner Wiener Bühne am Programm.

Dabei schätzten ihn seine Zeitgenossen gerade als Opernkomponisten. Zur Eröffnung der Mailänder Scala 1778 komponierte er "L'Europa riconosciuta", andere Erfolge waren "Le donne letterate" (1770) und "Tarare" (1787). Auch seinen relativ wenigen Orchesterwerken hört man die Vorliebe für Oper an. Zu Salieris Schülern zählten keine geringeren als Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Franz Liszt und Giacomo Meyerbeer. "Gütigster, Bester! Weisester, Größter! So lang ich Thränen habe und an der Kunst mich labe, sei beides Dir geweiht, der beides mir verleiht", feierte ihn Schubert in einer Kantate.

Der Hofkapellmeister Florian Leopold Gaßmann brachte das 16-jährige Waisenkind Salieri aus Italien mit nach Wien, nahm ihn in seine Familie auf und unterrichtete ihn. Auch von Christoph Willibald Gluck wurde das junge Talent nachhaltig gefördert. 1774 wurde er kaiserlicher Kammerkomponist und Kapellmeister der italienischen Oper, 1788 avancierte er zum Hofkapellmeister. Er wurde zum Mitbegründer des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, wo er auch als Oberlehrer tätig war. 1823 verfiel er in geistige Umnachtung und bezeichnete sich in diesem Zustand des öfteren als Mörder Mozarts. 1825 schließlich starb Antonio Salieri.

Seine Zeitgenossen kümmerten sich nicht weiter um die Selbstbezichtigungen des verwirrten alten Mannes, die sollten erst die Nachwelt beschäftigen. Dass Salieri am Tode Mozarts schuld gewesen sein soll, gilt in Fachkreisen als Mär. Noch Salieri selbst hatte, in einem hellen Moment mit seinem Geständnis konfrontiert, dieses energisch in Abrede gestellt. "Es gibt keinen Grund, in dieser Selbstbeschuldigung etwas anderes zu sehen, als die Verzweiflung, Mozart nicht gewachsen zu sein", meint Otto Biba, Direktor von Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, stellvertretend für die Musikwissenschaft.

Und das Bild des dämonischen Gegenspielers, der nur durch gemeine Intrigen Mozarts Karriere zu behindern vermochte? Auf den ersten Blick scheint es ja wirklich eigenartig, dass in einer Stadt, in der ein Genie wie Mozart wirkt, ein bloßer Könner wie Salieri zum Ersten k.k. Hofkapellmeister bestellt wird. Betrachtet man das Anforderungsprofil des höchsten kaiserlichen Musikbeamtenjobs genauer, zeigt sich die Sache in einem anderen Licht. Der Hofkapellmeister war mit vielen administrativen und organisatorischen Aufgaben belastet, seine wichtigsten künstlerischen Aufgaben bestanden darin, an Sonn- und Feiertagen die Kirchenmusik in der Hofburgkapelle zu leiten und für diese zu komponieren. Auch um die Tafelmusik bei Hofe und andere musikalische Repräsentationsaufgaben musste er sich kümmern.

Zwar bemühte sich jeder Musiker um eine Anstellung bei Hof, doch im Falle Mozarts bleibt die Frage: War dieser unbekümmerte, übermütige junge Mann, der der zeitgenössischen Schriftstellerin Caroline Pichler durch "alltägliche Sinnesart und platte Scherze" auffiel, der Richtige für die Stelle des Hofkapellmeisters? Otto Biba: "War das eine Position, die für ein Genie, also für Mozart, überhaupt attraktiv gewesen wäre? Bei einer realistischen Betrachtung muss man wohl sagen, Salieri war für diese Position der geeignetere Mann."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung