Ein kühler Kopf für eine heiße Zeit

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Mit der Umwelt steht es doch bestens, behauptete Björn Lomborg in "Apokalypse No!". Diese Woche erscheint seine neueste Provokation: "Cool It!"

Der Eisbär droht unterzugehen. Auf einer winzigen Eisscholle sitzend, wartet er verzweifelt, bis auch noch dieses letzte Stück festen Bodens unter seinen Tatzen weggeschmolzen ist. Mit diesem herzzerreißenden Cover-Foto und den Worten "Mach dir Sorgen. Ernsthafte Sorgen." führte das Time Magazine im Jahre 2006 den Menschen die bereits spürbaren Folgen der Klimaerwärmung vor Augen. Al Gore verwendete für sein Buch (zum Film) "Eine unbequeme Wahrheit" ein ähnliches Bild und schrieb dazu: "Laut einer neueren wissenschaftlichen Studie sind in jüngster Zeit zahlreiche Eisbären durch Ertrinken ums Leben gekommen."

Alles Humbug, erklärt Björn Lomborg in seinem neuesten Werk "Cool It!" und weist die überzogenen Befürchtungen der Öko-Alarmisten einmal mehr zurück - unter Beizug von viel Fachliteratur. Dabei ist die Akribie des dänischen Statistik-Professors beeindruckend und lässt sich etwa an der Dicke des Anhangs messen - konkret an den 31 Seiten Fußnoten und 37 Seiten Literaturangaben (bei total 272 Seiten). Erstaunlicherweise leidet der Lesefluss nicht unter dem Datenwust.

Eisbärkiller Klima?

Eine Re-Lektüre der Originalquellen fördert dabei oft Interessantes zu Tage. So auch im Falle der Eisbären. In Presseberichten wurde etwa betont, dass die am besten untersuchte Population von 1200 Stück im Jahre 1987 auf unter 950 im Jahre 2004 zurückgegangen ist. Verschwiegen wurde jedoch, dass die Eisbären sich seit 1981 dramatisch vermehrt haben; damals gab es gerade einmal 500 Stück. Auch blieb unerwähnt, dass sehr viele Bären von Menschen getötet wurden. "Wir (haben) pro Jahr 15 Bären durch die globale Erwärmung verloren, jedoch 49 durch die Jagd", rechnet Lomborg vor.

Aus der Geschichte mit den Eisbären ließen sich - so der Statistiker - drei Dinge lernen, die für die gesamte Klimadebatte Gültigkeit hätten: Erstens, wir hören extrem übertriebene und hoch emotionale Behauptungen, die sich nicht durch vorhandene Fakten erhärten lassen. Zweitens, wir erfahren nur einen Teil der Geschichte (vielen anderen Arten wird es dank der wärmeren Temperaturen besser gehen). Drittens, unsere Sorgen verengen unser Blickfeld, so dass wir uns für falsche Lösungen entscheiden.

Lomborgs Arbeit beeindruckt vor allem dort, wo er sensationelle Darstellungen durch die Medien und diverse NGOs zurückweist. Al Gore lässt etwa im Film "Eine unbequeme Wahrheit" per Animationstrick die Küste Miamis in sechs Meter hohen Flutwellen verschwinden.

Durch Zahlen widerlegt

Lomborg zitiert dazu lapidar das IPCC: Das internationale Expertengremium für Klimafragen erwartet lediglich einen Meeresanstieg von 29 Zentimetern. Da der Ozeanspiegel nur allmählich ansteigen wird, hält er den Bau von Deichen für ein probates Mittel, um Küstenregionen auf einfache Weise vor Überschwemmungen zu schützen. Auch ist dies im Vergleich zur CO2-Reduktion eine günstige Lösung.

Und vor allem: effizient. Denn würde auch das Kyoto-Protokoll bis 2100 weiter erfüllt, so wären die positiven Auswirkungen dennoch marginal. Der Wasserspiegel etwa wäre vier Jahre später genauso hoch (zum Fehler in dieser Überlegung siehe das Interview unten). Statt am "großen Knopf des Klimawandels" - der Emissionsreduktion - herumzumurksen, empfiehlt der Däne deshalb für die vielen Klima-Probleme jeweils andere Knöpfe, die sich leichter drehen lassen und damit die Lebensqualität der Menschen instantan verbessern: So fordert er etwa mehr Grünanlagen in Städten, die verhindern, dass die Betonwüsten sich noch mehr aufheizen. Selbstverständlich untermauert er seine Sicht mit entsprechenden Kalkulationen.

Wandel zum Guten hin?

Gleichzeitig streicht er die guten Effekte des Klimawandels hervor: Schmelzende Gletscher etwa könnten gewisse Landstriche in Asien fruchtbarer machen. Wahrscheinlich wird hier der österreichische Leser stocken. Denn hierzulande wird das Gletscher-Eis nicht für die Landwirtschaft, sondern für den Wintertourismus gebraucht. Es ist an seltenen Stellen wie diesen, an denen auch dem Laien bewusst wird, dass Lomborg nur seine (wenn auch sehr anregende) Klima-Geschichte erzählt. Zumeist wirken die numerischen Zaubereien sehr überzeugend. Und da der Zahlen-Magier sein Material aus ganz verschiedenen Fachgebieten und von internationalen Institutionen bezieht, ist es auch für Experten nicht leicht, ihn zu widerlegen - und wenn doch, dann nur in einzelnen Teilen.

Dass dem dänischen Tausend-sassa mitunter Fehler unterlaufen, ist ob der gewaltigen Aufgabe zu erwarten: Bei der Eisbär-Geschichte etwa kann man nicht die geschossenen Bären gegen die "ertrunkenen" aufrechnen. Denn die Jagd ist eine ökologische Maßnahme. Die Menge der zu erlegenden Eisbären richtet sich nach der Größe der Population und des Reviers. Das weiß jeder Jäger. Nicht aber der Professor. Ein Fachmann für die Lösung der Weltprobleme zu sein, ist eben verdammt schwer.

Cool It!

Von Björn Lomborg

Deutsche Verlags Anstalt, München

2008. 272 Seiten, geb., € 17,50

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