Ein Leben als Fragment
Schloß Artstetten bei Maria Taferl bewahrt das Andenken an den Thronfolger Franz Ferdinand.
Schloß Artstetten bei Maria Taferl bewahrt das Andenken an den Thronfolger Franz Ferdinand.
Als der britische Botschafter Sir Horace Rumbold 1897 den Thronfolger Österreich-Ungarns kennenlernte, beeindruckten ihn an dem Dreißiger Anzeichen von "Willensstärke und Beharrungsvermögen". Auch eine gewisse Sprödheit im Umgang. Anders als sein charmanter Bruder Otto und erst recht sein Neffe Karl war dieser Habsburger, laut Karl Kraus, "kein Grüßer". Aber in der Treue und Unbeirrbarkeit, mit der er zu der unebenbürtigen Frau seiner Wahl stand, bewahrte er Tugenden eines letzten Ritters.
Sein Charakter, den man etwa zu Wallensteins Zeiten aus den für sein Sternbild, den Schützen, typischen Wesenszügen gedeutet hätte, mußte zu der Polarisierung zwischen dem "Schönbrunn" des alten Kaisers und dem "Belvedere" des Agnaten führen, wo auch der spätere "Furche"-Gründer Friedrich Funder zum Kreis des kommenden Mannes zählte.
Das vom Vater Erzherzog Carl Ludwig geerbte Schloß Artstetten bei Maria Taferl spielte in Franz Ferdinands Leben eine eher sekundäre Rolle, seine privaten Residenzen inmitten wildreicher Reviere waren Schloß Konopischt in Böhmen und Schloß Blühnbach im Pongau. Dennoch war es Artstetten, der Sommersitz der Jugendjahre, wo er eine Begräbnisstätte für sich und seine Familie einrichtete.
Der Gedanke, im Schloß ein Franz-Ferdinand-Museum zu gestalten, das über ein pietätvolles Arrangement von Erinnerungsstücken hinausgeht, sondern den Erfordernissen historischer Dokumentation entspricht, wurde schon 1982 realisiert (Michael von Habsburg-Lothringen, Wladimir Graf Aichelburg). Nun zeigt sich der Bestand an Exposita, von denen viele dem kundigen Wünschelrutengänger das bewußte Lorenz'sche "Aha!-Erlebnis" bieten, in etwas verdichteter Form, aber nach dem ursprünglichen Konzept: Franz Ferdinand als Mensch, Dynast, Offizier, Politiker und Waidmann. (Anzumerken ist, daß der Thronfolger seine "berüchtigten" enorm hohen Abschußziffern mit sehr klug gesteuerter Wildhege aufwog.)
War er in seinem Kunstverständnis traditionsgebunden und favorisierte für Bauten einen "Reichsstil" frei nach dem Barock Karls VI., so hatte er, bei einem hohen Herrn damals selten, viel Sinn für Volkskultur. Die Gründung eines zentralen Volkskundemuseums der Monarchie war einer der vielen Pläne, die er unausgeführt hinterließ. Das von Grillparzer so skeptisch formulierte habsburgische Schicksalsgesetz besaß für ihn keine Geltung. Er war von Natur aus kein Mann der "halben Mittel" und der "halben Tat". Dennoch blieb sein Leben ein Fragment.
Bis 2. November
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