Ein Leben für das Lied

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Kommenden Samstag jährt sich sein Todestag zum 100. Mal: Dem Leben des Komponisten Hugo Wolf widmet sich eine neue Biografie aus der Feder Dietrich Fischer-Dieskaus.

Einsam am Sonntag, dem 22. Februar 1903 um 3 Uhr nachmittags in den Armen seines Wärters Scheibner" starb Hugo Wolf. Viereinhalb Jahre brachte er in der Anstalt zu, in er keine Heilung fand. Dietrich Fischer-Dieskau widmet dem Komponisten, dessen Lieder er so oft gesungen hat, eine Biografie. "Wolf, der im Lied von der Reinheit und Innigkeit der Liebe zu singen wusste und im Leben am Zerrbild der Liebe zu Grunde ging", hatte sich als Siebzehnjähriger von "guten Freunden" in ein Wiener Bordell schleppen lassen und sich dabei mit Syphilis infiziert.

Gute Freunde ohne Anführungszeichen fand der Autodidakt aus der Untersteiermark in Wien immer wieder, obwohl sein jähes, aufbrausendes Wesen und sein bewusstes Einzelgängertum eher abstoßend wirkten. Der Vater, der in Windischgraz (Slovenjgradec) einen Lederhandel betrieb, konnte ihm nach diversen Schul-Abbrüchen wenig Geld nach Wien schicken, wo der Sohn sein Glück versuchte. Gegen alle elterlichen Bedenken hatte er sich der Musik verschrieben, lernte, wo und wie er konnte - und sei es nur durch Noten-Umblättern für Erfolgreichere. Als ihn das "Wiener Salonblatt" zum Musikkritiker bestellte, konnte er sich noch mehr Feinde machen als im persönlichen Umgang.

Wolf vertiefte sich in die Lyrik der großen Dichter, die er Freunden geradezu aufdrängte. "Seine unvergleichliche Gabe, lyrische oder dramatische Texte lesend zu versinnlichen, als hätte er sie eben selbst geschrieben, soll zum tragenden Element seiner schöpferischen Begabung, seiner Lieddeutungen werden." Mit 16 komponierte er sein erstes Lied.

Fischer-Dieskau, sich auf ein medizinisches Gutachten beziehend: "Zehn Jahre nach der syphilitischen Intoxikation und zehn Jahre vor Ausbruch der Gehirnparalyse löst die Krankheit eine manische Befreiung geistiger Schaffenskräfte aus." Ab Herbst 1887 sprudelten die Lieder nur so hervor, obwohl der Wunsch nach einer Oper nie vergessen wurde. "Über seine Kompositionen der Lieder nach Eduard Mörike fand Wolf sich selbst", schreibt Fischer -Dieskau, "er erfüllte bewusst seine Sendung (...) als eine unumgehbare Pflicht." Von bereits vollendeten Vertonungen (etwa von Schubert) ließ er die Finger, aber kein Komponist außer Wolf wagte sich an die durchgeistigte Lyrik aus Goethes "Buch Suleika".

Fischer-Dieskau erschließt in seiner Biografie neue Quellen, darunter Briefe aus der Sammlung Walter Legges. Vor allem aber analysiert er in einem "Teil II" "Die großen Liedfolgen" (Mörike, Eichendorff, Keller, Goethe, Michelangelo, Italienisches und Spanisches Liederbuch) und bringt dabei seine jahrzehntelangen Erfahrungen als Sänger ein. Das Lied ist ein Kunstwerk, das vom Dichter, vom Komponisten und vom Sänger geschaffen wird. Der Hörer behält die Freiheit zu eigenen Empfindungen.

Hugo Wolf - Leben und Werk

Von Dietrich Fischer-Dieskau

Verlag Henschel, Berlin 2003

558 Seiten, geb., e 41,10

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