Ein Leben in stürmischer Zeit

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Schon vor seiner Seligsprechung, die am 3. Oktober stattfindet, gilt Kardinal Stepinac den Kroaten als Nationalheiliger: Noch immer ist es schwer, dem von Tito verfolgten Erzbischof gerecht zu werden.

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Schon vor seiner Seligsprechung, die am 3. Oktober stattfindet, gilt Kardinal Stepinac den Kroaten als Nationalheiliger: Noch immer ist es schwer, dem von Tito verfolgten Erzbischof gerecht zu werden.

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Am 3. Oktober wird Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch im kroatischen Wallfahrtsort Marija Bistrica den 1960 verstorbenen Erzbischof von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac, seligsprechen. Für die Mehrheit der kroatischen Katholiken wird damit ein lang gehegter Traum wahr, denn bereits kurz nach seinem Tod wurde Stepinac als Heiliger und Märtyrer verehrt. Zu seinem Sarkophag im Zagreber Dom pilgern täglich Scharen von Menschen. Doch es erheben sich auch kritische Stimmen gegen die Seligsprechung, vor allem von serbischer Seite.

Das Simon-Wiesenthal-Center in Paris hat den Vatikan aufgefordert, die Beatifikation zu vertagen, solange die Rolle Stepinac' unter dem faschistischen Ustascha-Regime so umstritten sei. Die Vorwürfe reichen von "dem Regime zu lange naiv gegenübergestanden zu haben" bis zu "Kollaboration mit dem Regime". Es ist schwierig, in diesem Konflikt, in dem nationale und religiöse Wundbrände weiterschwelen und ein Klima des Mißtrauens erzeugen, der Figur des Erzbischofs gerecht zu werden.

Überzeugter Kroate Alojzije Viktor Stepinac wurde am 8. Mai 1898 nahe dem Dorf Krasi'c geboren. Aus einer frommen Bauernfamilie stammend, wurde er 1917 - da Kroatien noch zu Österreich-Ungarn gehörte - in die kaiserliche Armee eingezogen. Nach dem Untergang der Monarchie meldete sich Stepinac aus panjugoslawischem Gedanken heraus zur "Südslawischen Legion". Das neugegründete "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" enttäuschte jedoch die Hoffnungen der national und katholisch eingestellten Kroaten sowohl in ihrem Streben nach Unabhängigkeit als auch in ihrem Selbstverständnis als "Bollwerk des Christentums gegen Angreifer aus dem Osten". Denn die Serben übernahmen die politische, die serbisch-orthodoxe Kirche die religiöse Vorherrschaft. Dies prägte auch den jungen Stepinac, der erst ein Landwirtschaftsstudium begann und heiraten wollte, bevor er sich für den Beruf des Priesters entschied. Schließlich kam er 1924 zum Theologiestudium an das Collegium Germanicum nach Rom, wo er unter anderem den späteren Wiener Erzbischof Franz König traf.

1930 wurde er zum Priester geweiht, ein Jahr später schloß er sein Studium ab und kehrte nach Zagreb zurück, wo er Zeremoniär des Erzbischofs Antun Bauer wurde. Stepinac gründete die Caritas der Erzdiözese Zagreb und fiel durch seine asketische Frömmigkeit auf. Bereits 1934 wurde er als jüngster Bischof Jugoslawiens zum Koadjutor des Zagreber Erzbischofs ernannt, und als Antun Bauer 1937 starb, folgte ihm Stepinac nach. Er förderte die Katholische Aktion und unterstützte die katholische Presse. Inzwischen war eine Verschärfung der politischen Lage eingetreten; bereits 1929 hatte Ante Paveli'c die "Aufständische kroatische Revolutionäre Organisation" - kurz "Ustascha" genannt - gegründet, die sich zum Terrorismus als heiliger Pflicht bekannte.

Erzbischof Stepinac hingegen witterte die politische Gefahr vor allem im Kommunismus und sah sich außerstande, die nationalistischen Tendenzen vieler Kleriker zu bremsen. Am 6. April 1941 besetzten deutsche und italienische Truppen Jugoslawien und installierten am 10. April den "Unabhängigen Staat Kroatien" als einen von Berlin und Rom dirigierten Marionettenstaat, in dem Ante Paveli'c die Macht übernahm.

Alojzije Stepinac begrüßte die Gründung des Staates Kroatien überschwenglich. Ob und wieweit er auch die Regierung Paveli'c begrüßte, daran scheiden sich die Geister. War er Patriot, Nationalist oder gar Faschist? Sicher ist, daß er der Ustascha-Führung gratulierte, dem "Poglavnik" (Führer) einen offiziellen Besuch abstattete und dessen Empfang bei Papst Pius XII. unterstützte. Schnell zeichnete sich jedoch die terroristische Tendenz des Regimes ab. Ein "Gesetz zum Schutz des arischen Blutes" wurde erlassen und die Errichtung von Konzentrationslagern befohlen. Juden wurden enteignet und getötet, orthodoxe Serben unter Gewaltandrohung zu Zwangsbekehrungen veranlaßt.

Serben, Juden gerettet In insgesamt acht Beschwerdebriefen protestierte Stepinac beim Regime gegen die Grausamkeiten bei Deportationen und die unmenschliche Behandlung in den "Arbeitslagern". In seinen Predigten im Zagreber Dom prangerte er die Verbrechen an und betonte die Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes, unabhängig von Nationalität, Religion, Rasse oder Geschlecht. Er lehnte erzwungene Konversionen ab, forderte jedoch seine Priesterschaft auf, Taufen vorzunehmen, um Menschenleben zu schützen. Auf diese Weise rettete er zahlreichen Juden und Serben. Trotzdem verteidigte er das Regime in einem Memorandum an den Vatikan vom 30. Mai 1943, in dem er anführte, daß die Regierung gegen Abtreibung und Pornographie eingeschritten sei und den Kommunismus bekämpfe.

Verfolgung unter Tito Entschieden jedoch trat Stepinac dem kommunistischen Regime entgegen, das im Mai 1945 unter dem Partisanenführer Josip Broz Tito die Macht übernahm. Mit seiner Forderung nach Bildung einer Nationalkirche und der Ablösung von Rom stieß Tito bei Stepinac auf klare Ablehnung. Stepinac kritisierte vielmehr die Enteignung von Kirchengut und die Verfolgung von Priestern.

Das Tito-Regime ließ den Erzbischof von Zagreb festnehmen und im September 1946 in einem Schauprozeß als "Unterstützer des Ustascha-Regimes" verurteilen. Stepinac lehnte es dabei ab, sich zu verteidigen, mit der Begründung, sein Gewissen sei rein.

Er wurde zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, kam zuerst in das Gefängnis von Lepoglava, aus dem er nach fünf Jahren entlassen wurde, um für den Rest seines Lebens in seinem Heimatort Krasi'c im Exil zu leben. 1953 wurde ihm die Kardinalswürde verliehen, Stepinac weigerte sich jedoch, zum Konsistorium nach Rom zu fahren, da er fürchtete, nicht mehr nach Kroatien zurückkehren zu können. Lieber wollte er bei seinem Volk bleiben. 1960 starb Stepinac nach langer Krankheit: Für die Kroaten war er zu einer Symbolfigur der Ablehnung des kommunistischen Regimes geworden. Zu seinem Begräbnis im Zagreber Dom strömten Tausende von Menschen. Schon dies zeigte, wie tief die Anerkennung und Verehrung von Kardinal Stepinac in Kroatien bereits war.

In zahlreichen Aussagen Stepinac' erkennen auch heute viele Kroaten einen tiefgläubigen Christen, dem die Seelen der Menschen und ihre Gleichheit vor Gott wichtiger waren als hohe Politik. Daß andererseits eine einseitige Sichtweise der Person Stepinac' - auch innerhalb der katholischen Kirche Kroatiens - einem kroatischen Nationalismus neuen Auftrieb verschafft, gehört ebenfalls zu den Facetten, aus denen sich das Bild des neuen Seligen zusammensetzt.

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