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Weder empörend noch betörend: Grillparzers "Der Traum ein Leben" am Wiener Theater in der Josefstadt.

Friede in den Hütten, Mord und Intrige in den Palästen. Diese Botschaft vermittelt das dramatische Märchen "Der Traum ein Leben" im Theater in der Josefstadt. Der große Wurf ist die Inszenierung noch nicht, aber schon aufgrund der Qualität des Stückes eine deutliche Steigerung des Hauses in der neuen Ära Hans Gratzer.

Gar nicht selten sind die Dichter der Wissenschaft einen Schritt voraus. Was Sigmund Freud und seine Nachfolger über das Phänomen Traum erforschten, führt Grillparzers 1834 uraufgeführtes Werk bereits vor. Das betont Regisseur Christian Pade, indem er das Happy End kürzt und das Stück mit den Worten des weisen Massud enden lässt: "Doch vergiß es nicht, die Träume, / Sie erschaffen nicht die Wünsche, / Die vorhandnen wecken sie; / Und was jetzt verscheucht der Morgen, / Lag als Keim in dir verborgen, / Hüte dich, so will auch ich."

Der so angesprochene junge Rustan wollte, aufgestachelt vom dunkelhäutigen Sklaven Zanga, die ländliche Idylle bei seinem Onkel Massud und dessen Tochter Mirza, die ihn liebt, verlassen und große Abenteuer bestehen. Doch ein Traum, in dem er Schuld auf sich lädt und trotz Lügen und Morden im Machtkampf letztlich scheitert, hat ihn seine Pläne ändern lassen. "Denn die Größe ist gefährlich, und der Ruhm ein leeres Spiel", lautet eine in dieser Inszenierung gestrichene Stelle, worauf es ankommt, das sind "die Liebe, die du fühlest, und das Gute, das du tust". Man könnte Grillparzer aufgrund dieser Aussage als biedermeierlichen Prediger der Resignation missverstehen. Doch ihm war nicht der Ruhm an sich ein Problem, sondern der Preis, den man oft dafür zahlen muss: sich in Schuld zu verstricken, sich quasi nicht mehr in den Spiegel schauen zu können. Diese Botschaft ist und bleibt immer modern.

Der Preis des Ruhms

Regietheateranhänger kommen an diesem Abend nicht auf ihre Rechnung, die Brücken zur Gegenwart muss jeder Zuschauer selbst schlagen. Christian Pades Inszenierung belässt Ort und Zeit der Handlung im mittleren Osten, wo der König von Samarkand regiert und die Derwische tanzen, und serviert die schwer realistisch darstellbaren Szenen - das Erlegen der Schlange, Rustans Sturz vom Felsen und damit aus seinem Traum - mit heiterem Unterton. Neigen Stück und Inszenierung zur Schwarz-Weiß-Malerei, so verrät die Ausstattung (Bühnenbild und Kostüme: Alexander Lintl) Liebe zur Geometrie, zur Farbe und zu glitzernden Kostümen.

Die Doppelbesetzungen von Haupt- und Traumhandlung machen Sinn: Wolfgang Hübsch kommt sowohl als Massud als auch als recht humorig angelegter König mit dem Deklamieren der Grillparzerschen Verse am besten zurecht. Gertrud Draxl gibt eine zeitweise zu leise Mirza, auffälliger stöckelt sie als Königstochter Gülnare in ständig wechselnden Roben über die Bühne. In Peter Scholz verbirgt sich wahrscheinlich ein stärkerer Rustan als jene Figur, die hier wie ein Blatt im Wind zwischen Machtgier und Gewissen, zwischen Wollen und Können schwankt. Stärker, auch im Umgang mit dem Text, agiert Michael Dangl als Rustans böser Einflüsterer Zanga. Der schwarze Sklave als besonders schlechter Charakter wirkt heute befremdend - "political correctness" war der Entstehungszeit des Stückes noch unbekannt. Ronald Kuste bewährt sich in mehreren Rollen.

Das Premierenpublikum spendete freundlichen Applaus und ging wohl weder empört über ein Regieexperiment noch betört von einem unerhörten Theaterereignis, meist also im eigenen Denken weder gestört noch verstört, heim.

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