Ein Märtyrer unserer Zeit

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Abt Adalbert von Neipperg floh vor den Nazi nach Seckau und weiter nach Slowenien. Vor 50 Jahren erschlugen ihn die Kommunisten im Lager Werschetz

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Abt Adalbert von Neipperg floh vor den Nazi nach Seckau und weiter nach Slowenien. Vor 50 Jahren erschlugen ihn die Kommunisten im Lager Werschetz

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Die näheren Umstände seines Todes sind niemals bekannt geworden. Aber so viel steht fest, daß seine ,Liquidation' vor Beendigung der Kriegsgefangenschaft von der kommunistischen Lagerleitung planmäßig und offiziell durchgeführt wurde. Aus seinen Briefen und den Aussagen seiner Mitgefangenen geht des weiteren eindeutig hervor, daß Abt Adalbert wiederholt auf die ihm angebotene Entlassung ausdrücklich verzichtet hat, um in aller Not bei seinen Kameraden zu bleiben und ihr hartes Los bis zur Auflösung der Lager zu teilen."

Dies schreibt Abt Maurus Berve von der Abtei Neuburg bei Heidelberg über einen seiner Vorgänger, Abt Adalbert Graf Neipperg. Zu Weihnachten jährt sich dessen Todestag zum 50. Mal.

Die Opfer des NS-Terrors aus den Reihen des katholischen Klerus sind in den letzten Jahren verschiedentlich gewürdigt worden. Von jenen des kommunistischen Terrors dürfte Kardinal Alojze Stepinac von Agram bisher der einzige sein. Auch Abt Adalberts Bekanntheit ist auf seine Mitbrüder, seine Mitgefangenen, wenige Bewunderer und Angehörige des Adels beschränkt. Zum 30. Todestag erschien eine dünne Broschüre, zum 50. liegt nun die Dissertation eines Angehörigen seiner einstigen Abtei vor, der sich bemüht hat, Leben, Wirken und Wollen Adalbert von Neippergs mit allen Hintergründen aus einem umfangreichen Quellenmaterial darzustellen.

Geboren 1890 in Meran, Sproß einer alten Adelsfamilie, tritt Karl Graf Neipperg mit 21 Jahren in die Benediktinerabtei Beuron in Württemberg ein. Zu seinen Ahnen zählt jener Adam Graf Neipperg, der als Adjutant und Lebensgefährte der Tochter Kaiser Franz I. und Witwe Napoleons, Marie Louise, zum Ahnherren der Fürsten Montenuovo wurde, dafür aber von seiner eigenen Familie Ablehnung erfuhr. Karl trat 1911 in die Benediktinerabtei Beuron ein, wo er den Ordensnamen Adalbert erhielt, und wurde nach Studien in Rom 1920 zum Priester geweiht. 1929 wurde er erster Abt der neuen Abtei Neuburg bei Heidelberg.

Von hier aus entwickelte Abt Adalbert eine intensive Seelsorgetätigkeit in vielen Gruppen und Organisationen des katholischen Deutschland der frühen Dreißigerjahre, war oft als beliebter Exerzitienleiter unterwegs - und zog sich so wegen seiner häufigen Abwesenheit von Neuburg die Kritik von Ordensbrüdern und -oberen zu, umso mehr, als die Abtei ständig unter Geldmangel litt. 1934 reichte er in Rom seinen Rücktritt ein.

Das war die Zeit, da im Deutschen Reich das neue nationalsozialistische Regime immer deutlicher gegen die Kirche Stellung nahm. Adalbert war anfangs der Entwicklung durchaus positiv gegenübergestanden, entsprachen die nationalen Forderungen im Protest gegen Versailles doch durchaus dem konservativen Weltbild des Adels, und auch er hoffte auf ein Gegengewicht gegen den drohenden Kommunismus. Seine intensive Seelsorgetätigkeit gerade in jenen Kreisen, die dem Regime skeptisch gegenüberstanden, mußte jedoch die Aufmerksamkeit der Partei auf sich ziehen. So bot ihm zunächst die steirische Benediktinerabtei Seckau, dann nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich das Schloß seines Verwandten Graf Attems in Windisch-Feistritz in Slowenien Unterschlupf und Gelegenheit, sich weiter seelsorglich zu betätigen.

Als nach dem Zerfall Jugoslawiens und der Angliederung der Südsteiermark an das Reich die slowenischen Geistlichen ausgewiesen wurden, übernahm Abt Adalbert auch die Seelsorge für die slowenische Bevölkerung, wobei er sich mehrfach den Zorn der deutschen Partei- und Verwaltungsfunktionäre zuzog.

Dann kam der Zusammenbruch der Wehrmacht, des Dritten Reichs, das Chaos des Rückzugs. Der Benediktiner, stets im Habit seines Ordens, ging zunächst mit den zurückflutenden Truppen mit, geriet bei Unterdrauburg in die Gefangenschaft bulgarischer Einheiten - und lehnte ab, als ihm die Flucht nahegelegt wurde. Er blieb bei "seinen" Soldaten, die nun in aufreibenden Märschen, ständig von den Wachmannschaften gequält, wieder dorthin zurückgetrieben wurden, woher sie in den vergangenen Wochen geflohen waren. Abt Adalbert marschierte mit, ohne Schuhe, betreute Kranke und Verwundete, zwei Monate lang, bis ins Offizierslager Werschetz (Vrsac) im südlichen Banat.

Werschetz gilt als das grauenhafteste aller Kriegsgefangenenlager in Jugoslawien. Die Offiziere, die hier festgehalten wurden, galten für die Titoisten als Kriegsverbrecher, auch wenn sich die Anklagen gegen sie auf erfolterte "Geständnisse" von Kameraden stützten. Neipperg, der nie eine Waffe getragen hatte, blieb unter ihnen, die er aufrichtete, denen er predigte und Vorträge hielt, wenn ihn nicht gerade wieder eine schwere Erkrankung für Monate in eines der Gefangenenlazarette verbannte.

Am 23. Dezember 1948 wurde Abt Adalbert zur Kommandantur gerufen. Er vermutete, es gehe um den Heimtransport, der in den Wochen vorher begonnen hatte - er selbst hatte gebeten, als Letzter heimgeschickt zu werden, um die Kameraden nicht ohne seelsorgliche Betreuung zu lassen. Er kehrte nicht mehr zurück. Am Silvestertag fanden ihn Einheimische - Schweine hatten die von Folterungen zerschundene, nur oberflächlich verscharrte Leiche aus einem Misthaufen ausgegraben Erst Jahrzehnte später konnten die sterblichen Überreste Adalbert Graf Neippergs exhumiert und in die Abtei Neuburg übertragen werden.

Fünfzig Jahre nach seinem Tod liegt nun die äußerst detaillierte, auf umfangreichen Quellen aufbauende Biographie dieses Märtyrers unserer Zeit vor, bemüht, den ganzen Weg des Karl Neipperg nachzuzeichnen, ihn dem Leser vorzustellen, ihn zu verstehen - den Theologen, den Seelsorger, den sich aufopfernden Menschen.

Das gelingt dem Autor - bis er an den politischen Menschen der Dreißiger- und Vierzigerjahre stößt, an den Zeitgenossen, der wohl dem Rabaukentum der neuen Herren ablehnend gegenüber stand, aber die nationalen Zielsetzungen - soweit sie in der Anfangszeit erkennbar waren - billigte. Hier setzt das Verstehen - vielleicht auch das Verstehen-Wollen - schlagartig aus. Aber da steht der Autor ja nicht allein da.

Abt Adalbert Graf von Neipperg und die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der Benediktinerabtei Neuburg bei Heidelberg bis 1949., von Benedikt Pahl OSB.

Band 45 der Veröffentlichungen des Abt-Herwegen-Instituts, Maria Laach, Aschendorff-Verlag, Münster 1997. 531 Seiten, öS 99o.

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