Ein Mangel an Bescheidenheit

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Die beiden TV-Vollprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben im Juni weniger als 30 Prozent des Fernsehpublikums erreicht. ORF eins blieb sogar nur im einstelligen Bereich. Vor 30 Jahren lag der Marktanteil von FS 1 und FS 2 bei 96 Prozent, 2007 waren es noch 43 Prozent. Diese Rückentwicklung ist vollkommen normal angesichts der einstigen Monopolsituation und des ständig wachsenden Programmangebots. In Deutschland erreichen ARD und ZDF zusammen nur noch ein Viertel der Zuschauer. Andererseits liegt das ORF-Fernsehen immer noch weit vor seinen nationalen Mitbewerbern Puls 4 (2,8 Prozent), ATV (2,6 Prozent) und ServusTV (2,2 Prozent). In Deutschland sind vor allem RTL und Sat.1 deutlich stärker und rangierten auch schon einige Jahre vor ARD und ZDF.

Es ist also weder Alarmismus angesagt noch alles palletti beim ORF. Doch seine Eigensicht entspricht nicht dem Quotenverfall. Aufgrund der Marktstellung müsste er heute um zwei Drittel bescheidener sein als zur Gründungszeit (1988) der immer noch populärsten Sendung "Bundesland heute". Doch sein Auftreten ist geprägt durch die Ära der Alleinherrschaft über Radio und TV in Österreich. Dieses Selbstverständnis wirkt fatal. Denn es behindert den konstruktiven Umgang mit Überlegungen zur grundsätzlichen Neukonstruktion eines öffentlich-rechtlichen Auftrags. Solche Ideen muss der ORF sich aber ebenso gefallen lassen wie dies einer Parteipolitik widerfährt, in der SPÖ und ÖVP ihre Duopol-Position verloren haben. Radikale Ansätze dazu lauten "Gegen Wahlen"(David van Reybrouck) oder "Gegen Demokratie"(Jason Brennan). In beiden Büchern geht es um ein besseres Zusammenleben. Dabei spielt Wahlbeteiligung nur jene Nebenrolle, auf die der ORF seine Quotensicht reduzieren soll und kann -wenn Funktion und Qualität entsprechen.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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