Ein Mann, eine Frau und der Tod

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Ein literarisches Lebenszeichen von Erich Wolfgang Skwara.

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Ein literarisches Lebenszeichen von Erich Wolfgang Skwara.

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Wenn es einem Autor gelingt, eine alte Geschichte so neu zu erzählen, als würde es sich um die ersten Menschen handeln, die den Erdball bevölkern, als wäre es die erste Geschichte zwischen einem Mann und einer Frau, dann wird die Begegnung mit dieser Literatur Spuren hinterlassen. Mit seiner Erzählung "Anruf aus Rom" ist dies dem Österreicher Erich Wolfgang Skwara, der seit Jahren wieder in Österreich lebt, dessen erzählerisches und lyrisches Werk hierzulande aber nahezu unberücksichtigt bleibt, möglicherweise gelungen.

In unserer Medienwelt folgt Geschichte auf Geschichte, täglich, monatlich, jährlich. Geschichten sind wie mikroskopische Kleintiere, die in Urzeiten die Basis für geologische Formationen gebildet haben. Anhand der Schichtungen schreiben Geologen die Erdgeschichte. Die Historie unserer Mediengesellschaft wird nur schwer an Hand der Ablagerungen geschrieben werden können, denn viele Geschichten hinterlassen keinerlei Spuren, werden vergessen, oft reicht es gerade für eine Verfärbung des Vergessens.

Vielleicht erscheinen die beiden handelnden Personen in Skwaras "Zwischengeschichte" vor der römischen Kulisse trotz der knappen und sparsamen Schilderung deswegen mit einer derartigen Intensität, weil sie von ihrem Ende aus betrachtet werden. Erzählt wird mit der Gewißheit des Todes. Martin, geschieden, älteren Semesters, hat den Tod bereits einmal hinter sich, ein Selbstmordversuch ist gescheitert. Er ist in der Hoffnung nach Rom gefahren, mit seiner jüngeren Freundin noch einige schöne Tage zu verbringen, die die unausweichliche Trennung jedoch nur verzögern würden. Doch die Telefonanrufe in den Norden, nach Deutschland, sind vergeblich. Martin durchstreift allein Rom auf der Suche nach Apotheken, in denen er jenes Medikament einlösen kann, mit dem ein weiterer Selbstmordversuch gelingen und eine endgültige Lösung bringen würde. In einem Lokal lernt er die Ärztin Daniela kennen, die gerade eine junge Patientin verloren hat. Martin ißt mit ihr, verbringt eine Nacht in ihrer Wohnung und bekommt von ihr die dritte Packung des tödlichen Schatzes.

Die Konstruktion der Figuren und ihrer Welt tritt nur gelegentlich zu Tage wie ausgeaperte Fossilien. "Mit den Jahren war fast alles leichter geworden: Das Lieben, das Nichtgeliebtwerden, der Erfolg, der Nichterfolg, das Weitermachen, das Aufhören, das Aufbringen von Mut." "Älterwerden machte nicht schwerer, sondern gewichtloser, Martin zweifelte nicht daran. Es wurde leichter, bis hin zum Abschied, der zuletzt keine große Sache mehr sein würde."

Die Menschen verschwinden, Dinge bleiben und fügen sich keinen Schaden, keine Verletzungen zu. Eine pessimistische Sicht der Welt und des Lebens. Skwara zwingt zum Innehalten, gerade weil er den Tod als ständigen Begleiter ins Spiel bringt. Auch gestorben wird in unserer Medienwelt viel und spektakulär, mit dem Tod zu leben ist hingegen die größere Herausforderung, die anzunehmen der Autor seine Figuren und damit seine Leser zwingt.

Anruf aus Rom. Eine Zwischengeschichte. Von Erich Wolfgang Skwara Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1999, 68 Seiten, brosch., öS 96,-/E 6,97

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