Ein müder Apokalyptiker

Werbung
Werbung
Werbung

Das Wiener Dommuseum präsentiert das religiöse Werk von Ernst Fuchs.

Die Aktivitäten von Monsignore Otto Mauer als Brückenbauer zwischen der zeitgenössischen Kunst und dem kirchlichen Leben sind legendär. Zu Recht legendär, weil seine Umtriebigkeit nicht nur auf der Höhe der Zeit war, sondern auch eine gehörige Portion Zukunftsfähigkeit in sich barg. Bekannt ist, dass diejenigen Kunstschaffenden sein besonderes Interesse fanden, die in einer abstrahierenden bis ungegenständlichen Weise arbeiteten. Die "Realisten", insbesondere die Phantastischen Realisten der Wiener Schule, hatten es bei ihm schwer.

Die Skepsis Otto Mauers

Sein Verdacht gegenüber deren hyperrealistischer Malweise, dass sie sich paradoxerweise gerade damit den Blick auf die Größe des Menschen vor allem in seiner religiösen Dimension verstellen, klingt auch noch in seiner Charakterisierung der Malerei von Ernst Fuchs an. "Eine große intellektuelle Anstrengung liegt in den Arbeiten von Ernst Fuchs, ein weiter geistiger Weg wurde in ihnen begangen: aus der dämonischen Gnosis surrealistischer Mythen zur Überwirklichkeit des Spirituellen, aber die Realität des Fleisches bleibt gewahrt. Das eine Mal wird sie zum Ausgangspunkt heilloser introvertierter Spekulationen, das andere Mal zum Angelpunkt einer wahrhaften metaphysischen Wandlung."

Weil Ernst Fuchs in der Sichtweise von Otto Mauer diesen Überstieg von einer bloßen Selbstbespiegelung zu einer Selbstsicht im Gegenüber eines größeren Anderen geschafft und in seiner Malerei auch geschaffen hatte, zeigte Mauer in seiner Galerie (nächst) St. Stephan vor fünfzig Jahren die Arbeiten von Ernst Fuchs, als einzigen aus der Riege der Phantastischen Realisten.

Nach einem halben Jahrhundert, das gleichzeitig den hundertsten Geburtstag des Monsignore feiert, zeigt das Dommuseum nun einen Überblick über die gesamte Bandbreite der Malerei von Ernst Fuchs, die sich mit religiösen Themen beschäftigt. So begegnet man in den ganz frühen Grafiken einem Apokalyptiker ersten Ranges. Gerade als "Halbjude" dem Wahnsinn der Rassenideologie entgangen, katholisch getauft, imaginiert der gerade mal Fünfzehnjährige einen "Schmerzensmann", dessen Geste unmittelbar überzeugt. Die Anklänge an das eigene Konterfei lassen an die von Otto Mauer angesprochene introvertierte Spekulation denken, sie bleibt aber nicht heillos, weil sie sich an den Schmerz eines anderen heranwagt.

Augenfällig macht sich hier ein Riesentalent daran, eine lange Tradition meisterlicher Illuminationen christlicher Themen weiter zu führen. In seinen Arbeiten zu den Geheimnissen des Rosenkranzes erobert sich Ernst Fuchs auch den Innenraum der Kirche, jenen der Rosenkranzkirche in Wien. Der angepeilte Kompromiss der Pfarrgemeinde, mit dem "realistischen" Maler Fuchs sich die Anmaßungen der ungegenständlich arbeitenden Künstler zu ersparen, ging allerdings daneben. Gerade die Gegenständlichkeit, mit der sich Ernst Fuchs diese Mysterien erarbeitete, bot ausreichend verstörende Elemente.

Mysterien gegenständlich

Beim weiteren Durchgang durch die chronologisch gehängte Ausstellung kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, dass Ernst Fuchs diese Erfahrungen geknickt haben. Man trifft in den späteren Jahren nur mehr auf einen müde gewordenen Apokalyptiker. Ein Riesentalent weiß nicht mehr so recht, wohin mit diesen fantastischen Anlagen und investiert nicht mehr in die von Otto Mauer noch festgemachte Offenheit für den je größeren Anderen, dem er sich fromm zuwandte, sondern kehrt bigott zu sich selbst zurück.

Liebe, Tod und Teufel

Das religiöse Werk von Ernst Fuchs

Dommuseum

Stephansplatz 6, 1010 Wien

www.dommuseum.at

Bis 3. 11. Di-Sa 10-17 Uhr

Katalog: Bernhard Böhler, Doris Zeilerbauer (Hg.), Liebe, Tod und Teufel. Das religiöse Werk von Ernst Fuchs, Wien 2007, 50 Seiten, € 15,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung