Ein "neuer“ James Joyce für Einsteiger

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Den "Ulysses“ hatte er abgeschlossen, das nächste Großprojekt "Finnegans Wake“ noch nicht begonnen. 1923 schrieb James Joyce Prosaminiaturen, die unmittelbar auf die irische Geschichte und Mythologie Bezug nehmen. Es handelt sich dabei um kleine Kunststücke die Wirklichkeit verdrehenden Charakters, die weniger zur Erhellung denn zur Verrätselung der Welt beitragen. Aber was heißt schon die Wirklichkeit verdrehen. Das würde bedeuten, sich im Besitz der Hoheit zu wähnen, Wirklichkeit so und nicht anders zu deuten. Solch eine Haltung hat nichts mit dem Anspruch von Joyce zu tun, der die Sprache über das, was wir gemeinhin als Wirklichkeit zu nehmen gewohnt sind, herfallen lässt. Dann wird es eng für die Wirklichkeit, die sich plötzlich ihrer Sicherheiten beraubt sieht.

Sie sind nur wenige Seiten lang, diese Kleinstgeschichten, die wie aus alter Zeit zu stammen scheinen, so legendenhaft klingt der Ton, den Joyce anschlägt. Dann streut er Wörter dazwischen als Irritationsköder, die eine Situation ihrer Gewöhnlichkeit entheben. "Wannennachts“ heißt solch ein Wort, das sich auf den "Fremdling Kevineen“ bezieht, der "mit dem Schwamm Schabernack zu treiben“ pflegt und zwar "wannennachts“. Es gibt kein der Gemeinsprache verpflichtetes Wort, das uns in diesem Zusammenhang einer Badeszene vorstellbar werden lässt, was das Kerlchen so treibt. So aber sehen wir einen wahren Schlingel vor uns.

Wortschöpfungen als kreativer Akt

Es ist die Verführbarkeit durch die verborgenen Möglichkeiten der Sprache, die Joyce zum Schreiben treibt. Das Wortschöpferische ist nicht nur ein kreativer Akt, eine Art Heidenspaß zum Ergötzen seiner Leser gedacht, die Neufindungen dienen dazu, den Bedeutungsradius der Wörter auszuweiten. Irland, wie es aus alten Zeiten überliefert ist, kommt bei Joyce in ein neues Licht. Sein sprachlicher Zugriff ist auf Verunsicherung eingestellt. Als Geschichtsprofessor taugt Joyce gar nichts. Aber als einer, der klar stellt, dass uns in "alten maeren wunders vil geseit ist“, der also kurzerhand seine eigenen Mythen schafft, die sich den überlieferten gut anschmiegen, ist er nicht zu übertreffen. So hat es auch etwas Denkwürdiges mit "Kevineen“ auf sich. Den Mädchen hält er sich fern - für einen Heiligen in spe keine schlechte Voraussetzung - und preist dafür die "Freundschaft mit Frischwasserfischen“.

Es bedeutet eine gewaltige Herausforderung, Texte von Joyce, dem Mann, der ganz aus Sprache besteht, in eine andere Sprache zu übertragen. Dass es im Deutschen eine Menge zum Staunen, Lachen und Grübeln gibt, ist Friedhelm Rathjen zu verdanken, der sich so geschmeidig durch die Joyce’schen Fantasien bewegt, als wäre solch eine Übertragungsarbeit kinderleicht.

Finn’s Hotel

Von James Joyce, herausgegeben und eingerichtet von Danis Rose, mit einer Einführung von Seamus Deane, übersetzt von Friedhelm Rathjen, Suhrkamp 2014. 104 Seiten, gebunden, e 18,50

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