Ein österreichischer Tscheche

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Die zwei Leben des Josef Hlávka: Wie der Architekt zum Gründer der Tschechischen Akademie der Wissenschaften wurde. Zu einer Ausstellung an der Prager Karlsuniversität.

Selbst Bücher über die Wiener Tschechen erwähnen seinen Namen kaum und in kunsthistorischen Viennensia muss Josef Hlávka (1831-1908) berühmteren Architekten den Vortritt lassen: zunächst Heinrich Ferstel, in dessen Architekturbüro er an den Planungen zur Votivkirche und zur Österreichisch-Ungarischen Bank (heute Palais Ferstel) mitwirkte; dann Friedrich Schmidt, für den er bereits als selbständiger Bauunternehmer die Lazaristenkirche gegenüber dem Westbahnhof, die Kirche Sankt Othmar unter den Weißgerbern und das Akademische Gymnasium errichtete; schließlich Theophil Hansen, für dessen Deutschmeisterpalais (heute Sitz der OPEC) er bereits eine hohe Summe verlangen konnte, obwohl er eigentlich für seine Sparsamkeit bekannt war.

Architekt in Wien

Knappe Kalkulation im Verbund mit absoluter Seriosität, Termintreue sowie Stilsicherheit und Präzision in der Ausführung verschaffte ihm im Alter von 30 Jahren auch seinen größten Auftrag: die Errichtung der Hofoper nach den Plänen August Sicard von Sicardsburgs und Eduard van der Nülls. Daneben fand Josef Hlávka noch Zeit, eigene Entwürfe zu realisieren. Der bedeutendste, die Residenz des griechisch-katholischen Erzbischofs in Czernowitz, trug ihm den Zweiten Preis auf der Pariser Weltausstellung von 1867 ein.

Doch der totale Einsatz hatte seinen Preis: Erst 38-jährig ereilte den Perfektionisten ein Nervenzusammenbruch, der ihn aus der Bahn warf. Zehn Jahre lang auf den Rollstuhl und später auf Krücken angewiesen, musste er sein Bauunternehmen aufgeben und nach neuen Ufern Ausschau halten. Die aufopfernde Pflege seiner ersten Frau Marie, der sagenhafte Reichtum, den er angehäuft hatte, vor allem aber ein eiserner Wille ermöglichten ihm einen Neubeginn.

Hlávka erwarb das Gut LuÇzany in der Nähe seines Geburtsortes PÇreÇstice südlich von Pilsen und machte es zu einem Treffpunkt tschechischen Geisteslebens - und dies, obwohl er nur eine deutsche Schule besucht hatte und in der tschechischen Rechtschreibung nie sattelfest wurde. Für die Einweihung der von ihm völlig neugestalteten Schlosskapelle komponierte Antonín DvoÇrák, ein Freund seiner zweiten Frau ZdeÇnka, seine D-Dur-Messe, die in Tschechien noch heute als"LuÇzanská" bekannt ist.

Drei Großtaten sind es vor allem, die den in Österreich Vergessenen bei den Tschechen unsterblich gemacht haben: die Gründung ihrer Akademie der Wissenschaften, der nach ihm benannten Studentenheime sowie der nach ihm und seinen beiden Gemahlinnen benannten Stiftung. Das 100-Jahr-Jubiläum der Stiftung, das dieser Tage in Prag feierlich begangen wird, ist auch der Anlass für eine überaus gediegene Ausstellung im Karolinum, dem historischen Hauptgebäude der Karlsuniversität.

Die Beschriftungen sind nur in tschechischer Sprache gehalten - ein Indiz, dass für die Tschechen das zweite Leben des Gefeierten die Bedeutung seines ersten überwiegt. Vom ersten zeugen die von Hlávka entworfenen Geräte, mit denen Kaiser Franz Joseph den Spatenstich zur Hofoper vorgenommen hat und die der Kaiser bei der Eröffnung, nach dem Tod der beiden Architekten, ihm überlassen hat; vom zweiten Leben zeugt ein Faksimile der Gründungsurkunde der Akademie, die der Kaiser - eine Rarität - in tschechischer Sprache unterzeichnet hat.

Mäzen in Böhmen

Von den Nationalsozialisten verteufelt und von den Kommunisten totgeschwiegen, erscheint Josef Hlávka in seiner Heimat heute mit seiner Losung "Der Tscheche muss hinaus in die Welt", mit seinem Unternehmergeist und seiner Uneigennützigkeit erneut als Mann der Stunde. Und der Reichsratsabgeordnete, der nie auf Obstruktion gesetzt hat, aber unbeugsam die Interessen seines Volkes vertreten hat, könnte auch ein Brückenbauer zwischen Österreichern und Tschechen werden, widerlegt er doch auf beiden Seiten der Grenze so manches Vorurteil.

100 Jahre Hlávka-Stiftung

Karolinum, Ovocn´y Trh 3, Prag

(neben dem Ständetheater)

Bis 10. 2. Di - So 10-13, 14-18 Uhr

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