Ein Ort der Offenbarung Gottes

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Geburt und Geboren Sein

R ainer Bucher schrieb zuletzt an dieser Stelle, dass Geburt auch bedeutet, "von Anfang an von jemandem anderen alles geschenkt bekommen zu haben und auf den Weg der Erfahrung realer Liebe geschickt worden zu sein“. Ich möchte diesen Gedanken mit einem weiteren ergänzen: Durch die Geburt wird nicht nur dem Geborenen etwas geschenkt, sondern auch den Eltern und der Gesellschaft. Nicht nur dem Neugeborenen wird Liebe geschenkt, sondern es schenkt selbst Liebe, vielleicht sogar mehr Liebe als es selbst erfährt.

Als ich meinen Sohn nach der Geburt in den Arm nehmen durfte, hatte ich das Gefühl, nicht ich umarme meinen Sohn, sondern die ganze Welt umarmt mich. Ich denke, so geht es vielen Eltern. Inzwischen ist mein Sohn zwölf. Seine Freude, wenn ich nach Hause komme, seine feste Begrüßungsumarmung, seine Umarmung bevor er schlafen geht, sind unbeschreibliche Momente der Liebe und Barmherzigkeit.

An dieser Stelle habe ich einmal ausgeführt, dass sich Gott, islamisch gedacht, in der Barmherzigkeit offenbart. Die Geburt eines Menschen, aber auch seine Liebe, die er spendet, sind Akte der Offenbarung Gottes. Heute kann ich sagen, dass ich erst durch die Geburt meines Sohnes gelernt habe, meine Eltern bewusster zu lieben. Heute weiß ich, was es für ein Gefühl ist, wenn ein Kind seine Eltern besucht bzw. anruft, um einfach nach ihnen zu fragen. Der Besuch/Anruf wird zu göttlicher Offenbarung der Liebe und Barmherzigkeit. Dort ist Gott. Der Koran erinnert an die Schmerzen von Schwangerschaft und Geburt: "Wir haben dem Menschen Güte gegen seine Eltern zur Pflicht gemacht. Seine Mutter trug ihn mit Schmerzen, und mit Schmerzen gebar sie ihn“ (46:15), und appelliert: "Sprich: ‚Mein Herr, erbarme Dich meiner Eltern, so wie sie mich als Kleines betreuten‘“ (17:25) .

Der Autor ist Prof. f. Islam. Religionspädagogik an der Uni Münster

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