Ein scheuer Verweigerer

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Leben und Tod waren die Themen, mit denen sich Walter Pichler ein Leben lang auseinandergesetzt hat. Vergangenen Montag hat der große österreichische Bildhauer und Zeichner seinen Kampf gegen den Tod im Alter von 75 Jahren verloren. Ein Werk hinterlassend, das unvollendet bleiben muss. Fokussiert war er auf die Häuser, die der 1936 im Südtiroler Eggental geborene, als Kind einer Optantenfamilie ab 1939 im tirolischen Telfs aufgewachsene Walter Pichler seit 1972 in St. Martin an der Raab in Burgenland für seine Skulpturen gebaut hat.

Als einzigartiges Gesamtkunstwerk, in dem die Grenzen zwischen Architektur und Skulptur, Inhalt und Hülle, Form und Funktion verschwimmen. Archaisch, von fast sakraler Anmutung, sind die Räume, ihre "Möbel“ und "Bewohner“. Die wie Fetische eines privaten, ideologisch von keiner Seite vereinnahmbaren Kults daherkommen mit ihren oft amputierten, kunstvoll stilisierten Körpern. Wobei die Liebe des in einer Schmiede aufgewachsenen Künstlers zum Handwerklichen unübersehbar ist, vorgeführt in der perfekten Kombination so unterschiedlicher Materialien wie Holz, Lehm, Stroh, Blei, Glas oder Zinn.

Walter Pichler, der nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Innsbruck die Wiener Angewandte absolviert hat, näherte sich seinen Skulpturen zeichnend an. Während sein bildhauerisches Tun keinerlei Spontaneität zugelassen hat, für ihn Klärung, Reduktion auf das Wesentliche bedeutete, war Zeichnen für ihn das unmittelbare Notieren von Gedanken und Emotionen. Um etwa in einem im Sommer 2010 auf Schloss Tirol gezeigten Zyklus sich auf eine schmerzhafte Spurensuche in seiner Kindheit einzulassen. "Als Wiedergutmachung an dem, was an meiner Mutter verbrochen worden ist“, sagte Pichler damals, der es generell verabscheut hat, auszustellen. Für seine Personale im vergangenen Winter im MAK - die seine letzte werden sollte - hat er allerdings einen Teil seiner St. Martiner "Mitbewohner“ nach Wien übersiedelt, umstellt von Objekten, Zeichnungen und Modellen aus sämtlichen Werkphasen.

Angefangen von den utopischen anmutenden Architekturmodellen und experimentellen, gesellschafts- bzw. medienkritischen Environments, mit denen er bereits 1967 gemeinsam mit seinen damaligen Mitstreitern Raimund Abraham, Coop Himmelb(l)au und Hans Hollein im Museum of Modern Art in New York für Furore gesorgt hat. 1968 und 1977 war Pichler bei Kasseler documentas vertreten, 1982 vertrat er Österreich bei der Biennale von Venedig. 2008 hat ihm das Tiroler Landesmuseum eine große Personale gewidmet. Aber auch das Amsterdamer Stedelijk Museum und das Frankfurter Städel widmeten dem menschlich scheuen, künstlerisch Nicht-Schubladisierbaren große Personalen.

Dem Kunstmarkt hat sich Pichler, so gut es ging, versagt. Obwohl er von seinen Zeichnungen bzw. dem Gestalten von Büchern letztlich gelebt hat. Eine Ausnahme gemacht hat er ausschließlich bei der Innsbrucker Galerie Thoman, wo Pichler aus Freundschaft immer wieder ausgestellt hat.

Prinzipiell widerständig wie er war, lehnte er auch öffentliche Ehrungen ab. Außer den Arnold-Bode-Preis, den er 1984 bekam, und den Großen Österreichischen Staatspreis ein Jahr später. Walter Pichler war auch der erste, dem 1984 der Tiroler Landespreis für Kunst zuerkannt wurde. Er nahm ihn an, das Preisgeld hat er allerdings einem Künstlerfreund überwiesen.

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