Ein schickes Kuriositätenkabinett

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Um eine Neudefinition der Tiroler Identität sollte es in dem neuen Museum "Tirol Panorama“ am Innsbrucker Bergisel gehen. Geworden ist daraus allerdings nicht mehr als ein von abgegriffenen Klischees triefendes Zappen durch die Geschichte.

Das "Tirol Panorama“ heißt Tirols erster nach dem Zweiten Weltkrieg entstandener Museumsneubau. Das Land spendierte sich den 25-Millionen-Euro-Bau zum Gedenkjahr 2009, in dem sich die heldenhafte Schlacht der Tiroler unter "Nationalheld“ Andreas Hofer gegen die Franzosen zum 200. Mal gejährt hat. Mit zweijähriger Verspätung hat das neue Museum nun seine Tore geöffnet - und übertrifft die im Vorfeld befürchteten Vermutungen noch bei Weitem. Wurde doch ein riesiges Geheimnis darum gemacht, was es in dem schönen neuen Musentempel zu sehen geben wird. Nur so viel wurde verraten: Um eine Neudefinition der tirolischen Identität sollte es hier gehen, ausgelotet im Spannungsfeld zwischen dem Gestern, dem Heute und Morgen.

Luis Trenkers Pfeife

An sich kein unspannendes Unterfangen. Geworden ist daraus allerdings ein oberflächlich gefühliges "Zappen“ durch die Geschichte. Das in einem breiten unterirdischen Gang stattfindet, der das neue Haus mit dem in jeder Weise alten Kaiserjägermuseum verbindet. Dieser Gang ist mit Vitrinen vollgestellt, vollgestopft mit Objekten von Kitsch und Kunst, Sakralem und Profanem, Gestrigem und Heutigem. Das Gerücht, dass in den letzten Monaten die Tierpräparatoren im Land alle Hände voll zu tun gehabt haben, hat sich voll und ganz bestätigt, jenes, dass DJ Ötzis Kappl zu musealen Ehren kommt, dagegen nicht. Dafür muss die Pfeife von Luis Trenker als Versatzstück tirolischer Identität herhalten genauso wie die ausgediente Gondel einer Bergbahn oder ein Biber, der im Bergiseltunnel sein Leben lassen musste. Aber auch alte Gletscherbrillen, Zillertaler Granaten, die Fackel der Olympiade von 1964, eine Kuhglocke, geschnitzte Buttermodel, Filmplakate aus den Dreißigerjahren oder der Pferdekopf des 1961 gesprengten faschistischen Bozner "Aluminium-Duce“ wurden völlig zusammenhanglos in diese Vitrinen gepackt; ebenso wie wichtige Dokumente, etwa Maximilians "Landlibell“ von 1511. Und was am schlimmsten ist: Bei dieser auf billige Klischees verkürzten "Behauptung Tirols“ (Projektleiter Benedikt Erhard) wird der Museumsbesucher sehr allein gelassen, ausgeliefert seinem Staunen darüber, was hier als Essenz eines Landes und seiner Menschen im beginnenden dritten Jahrtausend verkauft wird.

Eigentlicher Anlass für den Bau des neuen Museums war allerdings der Wunsch des damaligen Landeshauptmanns Herwig van Staa, am Tiroler Heldenberg eine neue Heimat für das 1896 von Zeno Diemer gemalte, rund 1000 Quadratmeter große Gemälde der schicksalsträchtigen Schlacht am Bergisel zu erbauen. Allen Widerständen gegen eine Translozierung aus dem denkmalgeschützten Rondell am Innsbrucker Rennweg zum Trotz. Und so faltenlos gehängt, so gut ausgeleuchtet hat man das Riesenrundgemälde noch nie gesehen, noch nie wurden aber auch seine malerischen Schwächen so offenbar. War das Schlachtengemälde doch auch nie als museales Objekt gedacht, sondern als spektakuläres Vehikel der Tourismuswerbung von gestern.

Am Bergisel hängt das Gemälde in einem mächtigen Zylinder, betretbar durch eine tiefrote Blutwanne, über der jene Kriegswerkzeuge baumeln, mit denen sich Andreas Hofer und die Franzosen einst die Köpfe eingeschlagen haben. Dieser Zylinder bildet das Zentrum des Entwurfs des Innsbrucker Architekturbüros stoll.wagner, mit dem dieses 2006 den Wettbewerb zum Bau des Museums gewonnen hat. Eine "als Strich in die Landschaft“ (Philipp Stoll) gestellte, transparent gläserne Hülle, die fabelhafte Ausblicke auf das wirkliche Tirol offeriert: auf die zersiedelte Landschaft genauso wie auf die permanent verstopfte Autobahn des Tourismus- und Transitlandes. In ihren Gängen tummeln sich allerdings auch die Helden von gestern. Aber anstatt eine Neuinterpretation des obsolet gewordenen Heldentums einem jungen Künstler anzuvertrauen, wurden Andreas Hofer, Napoleon & Co. in der glatten Denkmalmanier des 19. Jahrhunderts vom Grödner Willy Vergeiner neu geschnitzt. Und auf hohe Sockel gestellt, sodass man gefälligst aufzublicken hat …

Kaum entstaubt wurde das benachbarte Kaiserjägermuseum, in dem die meist schlecht porträtierten Helden dieses Regiments zelebriert werden. Und ausgerechnet unter dem Dach dieses Horts des Ewiggestrigen wurde der spannendste Teil des "Tirol Panorama“ versteckt: die als kluges interaktives Spiel aufbereitete Auseinandersetzung mit dem Tirol von heute als Teil Europas mit seinen vielfältigen Chancen und Problemen.

Das Tirol Panorama

Innsbrucker Bergisel

täglich 10-17 Uhr

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