Ein Schwanengesang als Totentanz

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In Des-Dur, gleich Wagners "Götterdämmerung", schließt auch Richard Strauss' letzte Oper, "Capriccio". Geschrieben hat er diese Auseinandersetzung um die Frage, ob der Musik oder dem Wort der Primat im Musiktheater gebühre und seine Librettisten in einem Schlosse nahe Paris um 1775 spielen lassen, während der Wirren des zweiten Weltkrieges.

Nicht mehr als der Versuch, von den Gräueln dieser Zeit wegzusehen, und dies verbunden mit einer Frage, die vor ihm schon Generationen aufgeworfen haben und die bis heute nicht beantwortet ist? Ein absichtlich in die Welt von gestern versetztes Konversationsstück mit Musik, in dem der führende Opernkomponist seiner Zeit ein letztes Mal wehmütig auf sein eigenes Schaffen zurückblickt, zusätzlich garniert mit Zitaten aus der Musikgeschichte? Alles Ansatzpunkte, um sich diesem Alterswerk zu nähern. Aber warum es nicht aus dem Blickwinkel seiner Entstehungszeit interpretieren?

Genau dort setzt die mit dieser Arbeit im Theater an der Wien debütierende Tatjana Gürbaca bei ihrer Inszenierung an. Von Henrik Ahr hat sie sich eine von Stufen dominierte schiefe Ebene als Bühnenbild bauen lassen. Darauf platzierte Klaviertorsi, Requisiten wie Dolche, Gewehre und Pistolen, eine zerrissene Flagge, ein Kranz, herumliegende Kleidungsstücke, Blutflecken auf den Kleidern vieler Protagonisten zeigen, dass man sich inmitten eines vom Krieg verwüsteten Ambientes befindet. Die Kunst, so erzählt es diese von einer klugen Personenführung begleitete Regie, soll Hoffnung in dieser von Tristesse bestimmten Atmosphäre geben.

Überlegt und perspektivenreich

Wer eine rein ästhetische Auseinandersetzung mit diesem Opernsujet erwartet hatte, wurde damit enttäuscht, wie das Pfeifkonzert am Ende der Vorstellung deutlich machte. Und nicht jedes der hier gezeigten Bilder - die Schatten eines Kriegs in Erinnerung rufenden Momente bis hin zur Vergewaltigung - hätte so deftig ausfallen müssen. Da wäre eine Beschränkung durchaus geboten gewesen. Aber Gürbacas mutiger Ansatz, nicht nur über die Botschaft eines Stückes nachzudenken, sondern dabei auch deren Entstehungszeit zu reflektieren, erwies sich deswegen als überlegt und perspektivenreich, weil damit "Capriccio" als bisher so nicht gesehenes Beispiel über das Verhältnis von Kunst und Politik deutlich vor Augen geführt, ein zuweilen nur als sentimental empfundener Schwanengesang bewusst in die Nähe eines aufrüttelnden Todestanzes gerückt wurde.

Bertrand de Billy am Pult der unterschiedlich klangschön aufspielenden Wiener Symphoniker sorgte für einen kultivierten Orchesterteppich. Maria Bengtsson war eine emphatische Gräfin, untadelig Andrè Schuen als ihr Bruder. Daniel Behle gab einen ungleich überzeugenderen Flamand als Daniel Schmutzhard seinen Kontrahenten, den Dichter Olivier. Tanja Ariane Baumgartner präsentierte sich als selbstsichere Clairon. Markant Lars Woldt als - egal ob mit Bärenkopf oder mit Pelzmütze mit Totenkopfemblem auftretender - etwas polternd agierender La Roche.

Capriccio

Theater an der Wien, 23., 25. April

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