Ein Spiegelbild, das selten zu sehen ist

Werbung
Werbung
Werbung

Der antike Mythos von Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und an der Unerreichbarkeit des Geliebten scheiterte, ist Ausgangspunkt für siebzehn internationale künstlerische Positionen, die in der Taxisgalerie in Innsbruck gezeigt werden.

Sigmund Freuds Theorien zum Narzissmus gelten gemeinhin als Basis für die gerade aktuell sehr umfassende Beschäftigung mit einem Thema, das sich vom Mythos eines Halbgottes zu einem Massenphänomen entwickelt hat und heute von erheblicher gesellschaftlicher Relevanz ist. Die beiden Kuratorinnen der Schau in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais, Maren Welsch aus Kiel und Beate Ermacora, Leiterin der Galerie, haben einen vielfältigen Parcours zum Thema hingelegt. Manchmal etwas zu ausufernd, manchmal eine sehr breite Allgemeinbildung einfordernd und stets auf einem umfassenden Kulturverständnis aufbauend werden siebzehn Positionen präsentiert, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Als Amuse-Gueule gibt es übrigens einen Sidestep in die Vergangenheit, werden die "Metamorphoseon libri“ des römischen Dichters Ovid bemüht und "historische Bildquellen mit ihren unterschiedlichen, tradierten Darstellungskonventionen des Narziss“ - wobei die Palette von traditionellen Gemälden bis zu Buchillustrationen reicht, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert entstanden sind - in einem eigenen Raum präsentiert.

Zetrümmerter Spiegel

Die Moderne spannt dann den Bogen von den 1970er-Jahren bis heute und interpretiert das Thema sehr facettenreich und in sprunghaften Kombinationen. So ist Helmut Schober, der sich selbst als "Brontosaurus der Performancekunst“ definiert, mit der großformatigen Fotografie "Narzisstisches Stück“ vertreten, die 1974 anlässlich einer Performance in Mailand entstand, und mit der er auch auf der documenta 6 reüssierte. Eine gekrümmte menschliche Gestalt liegt auf einem zertrümmerten riesigen Spiegel. Daneben ein kleiner Spiegel mit einem Konus in der Mitte, der direkt in den Betrachter zu stechen scheint. Für den Künstler ist der Dorn zwischen dem Spiegelbild und dem Betrachter als Bruch zwischen dem Ich und dem Selbst zu sehen.

Dem gegenübersteht etwa Olaf Nicolai mit seiner Skulptur "A Portrait of the Artist is a weeping Narcissus“ (2000), die an Caravaggio erinnert. Für Nicolai ist dabei die Frage wichtig, warum jemand weint - und so realistisch die Skulptur auch ausformuliert ist, so sehr ist sie für den Künstler doch "Abstraktion, die eine Übersetzung erfordert“. Außerdem wird durch das Weinen der narzisstische Grundgedanke gestört, denn wenn man weint, sieht man nichts - auch nicht sein Spiegelbild.

Aktuelle Bezüge zu Griechenland

Wunderschön und zugleich von leicht irritierender Distanz die großformatige, zweiteilige Fotoarbeit "Narcissus“ von Luis Camnitzer. 1937 geboren, musste er als Jude nach Uruguay gehen und lebt heute in New York. Bei ihm wird der Spiegel zur Maske, wodurch der Künstler nicht nur den Betrachter, sondern auch sein Pendant, das genau vis-à-vis aufgehängt ist, betrachtet. Dadurch erhält der Raum zwischen den Blicken einen zusätzlichen Spannungsbogen.

Einerseits ganz locker, zugleich aber auch extrem distanziert beschäftigt sich Niklas Goldbach in dem Video "Ten“ (2010) mit dem Thema. Er gibt persönlich den Prototypen eines Städters, schwarze Hose, weißes Hemd, makellose Frisur, ein nichtssagender Typ. In "Ten“ zehnfach geklont in durchgestyltem Ambiente. Gespenstisch arrangiert und doch mit aktuellen Bezügen, sind doch Nachtaufnahmen von Athen zwischengeschaltet, ebenso wie das Orakel von Delphi.

Der Spiegel des Narziss

Vom mythologischen Halbgott zum Massenphänomen

Galerie im Taxispalais

6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 45

bis 10. Februar 2013, Di-So, 11-18, Do bis 20 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung