Ein Todesfall im Land des Grünen Veltliners

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Alfred Komarek führt seine Leser durch ein niederösterreichisches Weinbauerndorf, wie es sie bald nicht mehr geben wird.

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Alfred Komarek führt seine Leser durch ein niederösterreichisches Weinbauerndorf, wie es sie bald nicht mehr geben wird.

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Polt muß weinen": Wer vermutet wohl einen Kriminalroman hinter diesem Titel? Aber es ist einer, und noch dazu ein österreichischer, und zwar von Alfred Komarek. Weinviertel, Wein und die dazugehörigen Keller prägen die Atmosphäre, in der Gendarmerieinspektor Polt erstmals ermittelt. In einem der Keller kam einer zu Tode, durch Gärgas. Allerdings hält sich die Trauer der Dorfbewohner in Grenzen. Diesmal hat's den richtigen erwischt, meinen sie alle. Der Mann hatte sich zu Lebzeiten mehr Feinde denn Freunde gemacht. Die Frage ist nur: War es ein Unfall oder hat jemand nachgeholfen?

Polt läuft gegen eine Mauer des Schweigens, auch bei seinen Freunden. Er ist ein empfindsamer Mensch und leidet unter seinem berufsbedingten Außenseitertum, vielleicht steckt er deswegen seine Nase gerne in ein Wein- oder Schnapsglas. Das leise Plopp des Korkens beim Öffnen einer Flasche klingt wie Musik in seinen Ohren. Der Leser begleitet ihn durchs Dorf, ein erdachtes, ostösterreichisches, an der tschechischen Grenze. Idylle und Bedrückung, Land- und Dorfatmosphäre in ihrer ganzen Ambivalenz. Aber nicht nur Einheimische, sondern auch ein paar Gäste, unter anderem aus Wien, bevölkern die Gemeinde. Ein besonders großsprecherischer verkündet im Wirtshaus: "Visionen braucht das Land! Fremdenverkehr! Nette, anspruchslose Gäste, die ihr Geld dalassen und sogar Deinen Wein trinken! Nichts für ungut, Franzgreis! Ich muß jetzt gehen..." Und auf den Gruß aus Bartls Ecke: "HabedieEhre, Eure Grindigkeit." Drauf Franz Greisinger, der Wirt: "Mein Gott, ohne unsere gescheiten Gäste würden wir schön blöd ausschauen."

Abgesehen von den Wienern, die besonders schlecht wegkommen, gibt es in diesem Dorf auch Tschechen und jugendliche Rowdies, eine von Polt verehrte junge Lehrerin sowie natürlich einen Pfarrer und seine Köchin. Polt trinkt nicht nur gern, er ißt auch gern und beim Pfarrfest kommt er ganz auf seine Rechnung. Der Leser freut sich mit ihm und sehnt sich nach den deftigen, herzhaften Gerichten, deren Beschreibung ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt - ebenso, wie man ja während der Lektüre auch den jungen Grünen Veltliner, den Wein der Niederösterreicher, zu schmecken meint.

Sein Erschaffer läßt Polt die Landschaft, die Dorfarchitektur und auch den Menschenschlag lieben, selbst agressiven Jugendlichen ohne Zukunftsvisionen steht er verständnisvoll gegenüber. Der Autor läßt Polt auch Umstände begrübeln, die traurig stimmen. Preßhäuser und Keller, die nicht mehr bewirtschaftet, an Städter verkauft und zweckentfremdet werden. Weil der einheimische Wein zu wenig einbringt? Zumindest wird Polt ärgerlich beim Genuß- und Preisvergleich mit ausländischem Wein.

Polt fährt gern mit dem Rad. Aber weder dabei noch beim Autofahren eröffnen sich ihm Entdeckungen wie auf dem Rücksitz eines Motorrads, etwa "daß man eine sinnliche, ja erotische Beziehung zu Straßenbiegungen entwickeln konnte, daß im Wechsel von Schwerkraft, Fliehkraft und Bewegung eine Fülle von Genüssen lag, die sich bürgerlichen Maßstäben weitgehend entzogen".

Zum Schluß schaut Polt zu tief ins Glas, dann muß er weinen, und natürlich kommt er dann auch drauf, was wirklich los war. Der Autor benutzt die Handlung als Leseanreiz; worauf es ihm ankommt, das ist wohl, eine charakteristische Landschaft und ein Ambiente zu beschreiben, die es in dieser Form vielleicht bald nicht mehr geben wird.

POLT MUSS WEINEN Kriminalroman von Alfred Komarek Haymon Verlag, Innsbruck 1998 191 Seiten, geb., öS 248,

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