Ein tolles Bild vom „Schönen Wien“

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Er gilt als begabter Schüler von Peter Patzak und Michael Haneke auf der Wiener Filmakademie. Bei der diesjährigen Diagonale gewann der deutsch-kurdische Jung-Regisseur Hüseyin Tabak den Publikumspreis für seinen Street-Soccer-Film „Kick Off“. Das Gespräch führten Matthias Greuling und Alexandra Zawia

Mit seinem Dokumentarfilm “Kick Off” (Kritik siehe unten) gewann der deutsch-kurdische Jung-Regisseur Hüseyin Tabak bei der diesjährigen Diagonale den Nachwuchs- und den Publikumspreis.

Nicht erst seit diesem Film über Obdachlose und Asylwerber, die durch den Street-Soccer-Worldcup etwas Halt im Leben finden, gilt Tabak als große Nachwuchshoffnung des österreichischen Films. Auch seine Lehrer an der Wiener Filmakademie – von Peter Patzak bis Michael Haneke – glauben, dass in Tabak ein großes Regie-Talent schlummert.

Die Furche: Herr Tabak, in Ihrem Film gibt der Sport Fußball Obdachlosen eine neue Perspektive. Worin liegt die Kraft dieses Sports?

Hüseyin Tabak: Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen: 1998 war ich selbst deutscher Street-Soccer-Meister. Das ist zwölf Jahre her, aber es hilft mir bis heute. Immer, wenn es mir schlecht geht, denke ich an diese sportlichen Erfolge zurück. Das gibt mir das Selbstvertrauen zurück. Auch die Jungs im Film können Kraft daraus schöpfen, dass sie in Australien waren, für Österreich bei der Street-Soccer-WM gegen die Besten gekickt haben. Das ist schon was.

Die Furche: „Kick Off“ ist eine sensible Beobachtung von Menschen, die nichts mehr haben. Oft nicht einmal mehr einen Willen.

Tabak: Mich interessierten die Geschichten und Lebensumstände der Obdachlosen. Als ich meine Jungs kennengelernt hatte, wusste ich, dass das ein starker Film werden kann. Um Intimität am Set herzustellen, müssen sich die Protagonisten vor der Kamera wohlfühlen. Diese Arbeit habe ich schon vor dem Dreh gemacht, denn ich war mit den Jungs sehr viel unterwegs, habe auch mit ihnen Fußball gespielt und versucht, sie beim Dreh nicht in eine Interview-Situation zu bringen, sondern ihnen das Gefühl zu geben, ein zwangloses Gespräch zu führen. Deshalb haben sie sich geöffnet.

Die Furche: Welche Rolle spielte dabei, dass einige der Spieler einen Migrationshintergrund haben?

Tabak: Meine Jungs waren wirklich stolz, für Österreich zu kicken. Aber es ist für Immigranten immer schwierig, zu wissen, wer man eigentlich ist. Speziell, wenn man hier aufgewachsen ist. Bin ich jetzt Österreicher oder Türke? Das ist eine Art von Identitätssuche, mit der manche nicht klarkommen. Mit welcher Clique soll man sich abgeben? Welche Musik soll man hören?

Die Furche: Haben Sie diese Suche für sich schon abgeschlossen?

Tabak: Es ist schwierig. Ich selbst bin Kurde, meine Eltern kommen aus der Türkei, meine Frau ist Türkin, aber ich bin in Deutschland aufgewachsen. Ich bezeichne mich heute als Deutsch-Kurden. Ich kann mich nicht als Deutscher bezeichnen, weil ich eben nicht aussehe wie einer. Ich kann aber besser Deutsch als Türkisch. Kurdisch kann ich gar nicht.

Die Furche: Und in Österreich? Fühlen Sie sich da heimisch?

Tabak: Schon, aber ich muss sagen: Es ist beunruhigend, wenn sich Leute von dir in der U-Bahn wegsetzen. Das habe ich in Deutschland nie erlebt. Ich hatte mal meinen Schwiegervater zu Gast in Wien und zeigte ihm ganz stolz das Schloss Schönbrunn. Im Bus zurück saß eine Frau mit Kinderwagen, die die ganze Zeit auf mich starrte. Dann begann sie, über Muslime zu schimpfen, und meinte, die würden ihr Geld nur für Alkohol ausgeben und ihre Kinder nicht impfen. Sie meinte, dadurch würde ihr Kind krank, und dann fing auch noch ihre Kleine im Kinderwagen zu husten an. Doch das Schlimmste war, dass alle Leute im Bus genickt haben. Niemand ist eingeschritten. Mein Schwiegervater bekam ein tolles Bild vom „schönen Wien“. In Deutschland ist mir das noch nie passiert.

Die Furche: Sie gelten als ein großes Nachwuchstalent für den österreichischen Film …

Tabak: Das sagen manche meiner Lehrer, und das freut mich. Peter Patzak etwa ist ein sehr motivierender Lehrer. Mit Michael Haneke habe ich ein intensives Arbeitsverhältnis. Vor jedem Projekt sprechen wir lange über das Drehbuch. Ich glaube, Haneke schätzt an mir, dass ich sehr ehrlich in meinen Filmen bin. Jeder Regisseur sucht nach seiner eigenen Handschrift, und Haneke sagte einmal, er hätte dafür 20 Jahre gebraucht. Er ist für mich ein Vorbild, weil er als Filmemacher perfekt ist. Danach strebe ich auch.

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