Ein Virus, der glücklich macht

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Mit einem breiten und internationalen Programm begehen die diesjährigen Haydn Festspiele Eisenstadt unter der Leitung von Walter Reicher den 200. Todestag ihres Namensgebers.

Nikolaus Harnoncourt beginnt: Am 31. März, pünktlich zu Joseph Haydns 277. Geburtstag, eröffnet er an der Spitze seines Concentus Musicus mit Haydns 1. Symphonie die diesjährigen, bis 4. Oktober dauernden Haydn Festspiele Eisenstadt. Dieser Auftakt ist bewusst gewählt, denn im Rahmen des Festivals werden sämtliche 107 Haydn-Symphonien aufgeführt. Unter den Interpreten sind unter anderem das Freiburger Barockorchester, die Academy of Ancient Music, Il Giardino Armonico, La Stagione Frankfurt, Les Talens Lyriques, die Capella Istropolitana, Anima Eterna, die Akademie für Alte Musik Berlin, das Amsterdam Baroque Orchestra, das Orchestra of the 18th Century, die Österreichisch-Ungarische Haydn Philharmonie oder das English Chamber Orchestra. Eine "Weltmeisterschaft in Sachen Haydn" (Reicher), die hier geboten wird. Zusammengestellt hat sie Walter Reicher, Intendant und kaufmännischer Geschäftsführer dieses Festivals.

Begonnen hat alles Ende der 1980iger Jahre mit dem Verein Burgenländische Haydn-Festspiele. Daraus entwickelten sich die Haydn Festspiele. Später kam die wissenschaftlichen Aufgaben verpflichtete Haydn-Stiftung dazu. Unmittelbarer Anlass war die Möglichkeit, 34 Haydn-Briefe erwerben zu können. Beide Institutionen werden heute von derselben siebenköpfigen Mannschaft unter Walter Reicher, der von Anbeginn die künstlerische wie wirtschaftliche Verantwortung trug, betreut.

Nimmt man ihn ernst, so kommt er gut an

Für das Haydn-Jahr ist noch eine Haydn GmbH dazugekommen. Ihre Aufgabe ist das Bündeln von Geldern und gezieltes Marketing. Schließlich sind die Haydn-Festspiele der einzige ständige Klassik-Veranstalter zwischen Wien und Graz, offerieren im Haydnsaal des Eisenstädter Schlosses Esterházy das Jahr über auch gut besuchte Haydn-Konzerte mit, selbstverständlich, Schwerpunkt Haydn und Wiener Klassik.

Dieses Jahr verantworten die Haydn-Festspiele um die hundert Veranstaltungen. Bereits jetzt sind mehr als 65 Prozent der Karten verkauft.

Haydn, stellt Reicher klar, hat sich immer verkaufen lassen. "Nur kleinmütige Veranstalter sagen das Gegenteil. Künstler wussten immer um seine Bedeutung. Wenn sie ihn ernst nehmen, kommt er beim Publikum gut an. Es ist ein Gerücht, dass man nur mit der, Kleinen Nachtmusik' und der Fünften Beethoven einen vollen Saal hat, das ist auch mit der, Schöpfung' so." Oder wenn man, wie in den letzten Jahren bei den Eisenstädter Haydntagen, Haydns zwölf kaum bekannte, vollständig erhaltene Opern aufführt.

Er passte einfach nicht ins Bild

"Er wurde viel zu alt, hat viel zu viel gute Musik geschrieben und war viel zu diskret. Es gibt keine Skandalgeschichten, er war erfolgreich, ist nicht verarmt gestorben und war bis zu seinem Lebensende Avantgardist. Überall, wo er hinkommt, schreibt er etwas Neues. Daher waren alle ziemlich froh, wie er gestorben ist", erklärt Reicher, weshalb Haydn in der Romantik bewusst ins Abseits gedrängt, wenn auch nicht vergessen wurde, denn die Streichquartette wurden immer gespielt. Aber er passte einfach nicht in das Bild des um Erfolg ringenden, von Existenzängsten geplagten Künstlers. Eine Einschätzung, mit der Reicher nicht alleinsteht, sondern die längst von der Wissenschaft und zahlreichen Künstlern, die sich seit jeher mit dem Werk und der Persönlichkeit Joseph Haydns beschäftigt haben, geteilt wird, unter ihnen auch Nikolaus Harnoncourt.

Um dieses Haydn-Bild wieder in den Blickpunkt zu rücken, gilt ein Schwerpunkt dieser Eisenstädter Festspiele Haydns "Sturm und Drang"-Symphonien. "Ein Begriff, den man aus der Literatur kennt, in der Musik nur bei Haydn." Damit wird bewusst das Klischee des "Papa Haydn" konterkariert. Denn Sturm und Drang verbindet man mit einem jungen Menschen. Weitere Festivalblöcke gelten Themen wie "Haydn sakral" oder "7 Worte". Das Herzstück des Festivals, die Haydntage - diesmal von 9. bis 27. September - stehen unter dem Motto "London & Paris". Sie bieten Aufführungen sämtlicher Pariser und Londoner Symphonien, die konzertante Aufführung von Haydns zu Lebzeiten nie aufgeführter Orpheus-Oper "L'anima del filosofo" und ein Symposion: "Frauen um Haydn". Hier wird ein Künstler dabei sein, den Reicher unbedingt für sein Festival haben wollte: Alfred Brendel, der bekanntlich seine Pianistenlaufbahn beendet hat und nun als Vortragender hoch gefragt ist.

Große Feier mit zeitgenössischem Akzent

Zwischen 30. April und 3. Mai warten die Festspiele auch mit einem zeitgenössischen Akzent auf: Reicher hat je drei Komponisten aus Österreich, Europa und der übrigen Welt eingeladen, Werke für jene Formation zu schreiben, die Joseph Haydn besonders schätzte - das Trio. Folglich trägt dieser mit viel originalem Haydn garnierte Schwerpunkt den Titel "TRIOthlon". Ein richtiger Kammermusikmarathon, denn musiziert wird von 9 Uhr bis spät in die Nacht.

Groß gefeiert wird selbstverständlich der eigentliche Anlass dieses Haydn-Jahres, Haydns 200. Todestag am 31. Mai, und zwar mit einem Werk, das "für ein ganzes Komponistenleben gereicht hätte" (Reicher): der "Schöpfung" - mit der Österreichisch-Ungarischen Haydn Philharmonie, dem Wiener Kammerchor und den Solisten Annette Dasch, Christoph Strehl und Thomas Quasthoff unter Adam Fischer. Reicher konnte Veranstalter in aller Welt davon überzeugen, dieses Werk zu diesem Zeitpunkt auch anderswo zu spielen. Ein Beweis, dass auch heute noch Haydns Selbsteinschätzung "Meine Sprache verstehet man durch die ganze Welt" nichts an brennender Aktualität verloren hat.

"Jetzt haben die Menschen die Gründe gesehen, warum man sich mit Haydn beschäftigen soll. Wenn man Haydn erlebt hat, kommt man immer wieder. Man ist infiziert. Haydn ist ein Virus, der nicht krank macht, sondern glücklich", zeigt sich der Haydn-Jahr-Intendant überzeugt, dass das Gedenken positiv in die Zukunft strahlen wird.

Reichers Budget, die Personalkosten eingerechnet, beträgt übrigens nicht mehr als zwei Millionen Euro. Zwischen 30 und 40 Prozent seines Publikums, weiß er aus Untersuchungen, reisen extra aus dem Ausland an. Immer wieder ist das Fernsehen bei den Veranstaltungen dabei, die schon aus Archivzwecken alle aufgenommen werden. Für 2010 - Reicher ist dann bereits in seiner 22. Intendantensaison - plant er um den 1. Mai einen Kammermusikschwerpunkt, im September stehen wiederum die Haydntage auf dem Programm.

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