Ein Wald der weißen Wesen

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„Einst war ich eine Hand“: Rudi Wach zeigt im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum überdimensionale Zeichnungen und Gipsskulpturen mit ganz neuer Formensprache, die unter die Haut geht und den Blick magisch anzieht.

Skulpturen und Zeichnungen – diese beiden interessanten Gegenpole waren schon immer ein Merkmal des Œuvres von Rudi Wach. 1996 widmete das Ferdinandeum dem Künstler eine große Retrospektive in der der Marino-Marini-Schüler ganz seine bis zu diesem Zeitpunkt zelebrierte Formensprache präsentierte. Seither arbeitet Rudi Wach an Zeichnungen und Skulpturen, in denen er die Expressivität des skulpturalen Schaffens seiner Frühzeit aufnimmt, diese aber zu einer ganz anderen Formensprache hin entwickelt. Spannend ist die Entwicklung bei den wirklich großformatigen Zeichnungen, die sich erst bei ganz genauer Betrachtung als Zeichnung deklarieren. Von der Weite wirken die Motive – menschliche Körper, vielfach Hände, manchmal auch Füße – dank einer differenzierten Schattierung wie gemalt. Linien werden von fahrigen Wischern übertönt, verschmelzen ineinander und betonen das Monumentale auch in der Zeichnung. Manchmal wirken die Skulpturen daneben fast filigran – was daran liegen mag, dass sie aus weißem Gips sind und extrem zerbrechlich scheinen.

Gipsskulpturen im Alleingang

„Die erste Linie überlebt nie, wird ausradiert, ist nur eine flüchtige Manifestation des Vergänglichen“, meint Rudi Wach. Für ihn sind die Arbeiten, die überwiegend in den letzten drei Jahren entstanden sind, aber ganz enorm wichtig, denn „sie zeigen die Sehnsucht, die ich hatte, als ich vor über 50 Jahren nach Mailand ging. […] Es ist ein Werk, das nur Spuren von mir hat und von keiner anderen Hand!“ Die Gipsskulpturen sind im Alleingang entstanden, bedurften keiner arbeitstechnischen Hilfestellung, wo es doch bei den Bronzegüssen sehr auf das fachliche und künstlerische Können des Gießers ankommt.

„Ich habe mir immer gewünscht, dass mein Atelier mit großen Skulpturen angefüllt ist, mit meinem Figurenwald – und ich bin im Schatten dieser Figuren“, ist der Künstler glücklich, sich diesen lange gehegten Wunsch endlich erfüllt zu haben. Wer die Ausstellung im Ferdinandeum besucht, bekommt einen guten Eindruck der Atmosphäre in Wachs Mailänder Atelier: Die riesigen Gipsskulpturen stehen ziemlich dicht – weiße Wesen in fragiler Schein-Bewegung vor weißen Wänden, an denen in weiten Abständen die großformatigen Zeichnungen als Pendants zu den dreidimensionalen Arbeiten faszinieren. Für Wach sind es nicht einfach nur Figuren oder Skulpturen, „es sind Wesen, zu denen ich spreche, mit denen ich in einem ständigen Dialog stehe“.

Für Elmar Zorn, der Rudi Wach seit 15 Jahren begleitet, hat dieser nun einen künstlerischen Grad erreicht, auf dem sich die bildhauerischen Mittel mit den zeichnerischen treffen: „Die innerlichen und die formalen Erfahrungen sind dieselben, die Nuancierungen sind ebenbürtig – in der Plastik das Arbeiten mit dem Licht, in der Zeichnung mit den Schattierungen.“ Er setzt das Werk Wachs in gewisser Weise jenem von Francis Bacon gleich – beide gehen unter die Haut und beide versuchen, das Wesen des Inneren zu ergründen. Was man bisher aus der Malerei gekannt hat, findet nun aber auch seinen Platz in der Bildhauerei. Nicht nur für Zorn ein faszinierender Aspekt; jeder Besucher ist spontan von der Intensität der Präsentation, von der Dichte der Werke, von der Haptik der Oberflächen der Skulpturen und von der Qualität der Zeichnungen in Bann gezogen.

Hände haben eine wesentliche Funktion

Der Titel der Ausstellung „Einst war ich eine Hand“ signalisiert bereits das Grundthema der Schau. Warum Hände eine derartige Rolle spielen, da will sich der Künstler nicht wirklich festlegen; wenn er einem dann aber im Gespräch seinen „Zeichnerdaumen“ mit dem extrem ausgebildeten unteren Muskel zeigt – „diese Formate zeichnerisch zu bewältigen ist schwere körperliche Arbeit“, so Wach – dann wird klar, was eigentlich ohnehin ganz offenkundig ist: Hände haben für einen bildenden Künstler unweigerlich eine wesentliche Funktion.

Rudi Wachs neue künstlerische Sprache geht unter die Haut, zieht den Blick magisch an, und man ist unweigerlich versucht, während man die riesigen Gipswesen umkreist, dem haptischen Drang nachzugeben und sie zu berühren, über die verschiedenen Oberflächen zu streichen und den Dialog nicht nur im Mentalen ablaufen zu lassen.

Rudi Wach. Einst war ich eine Hand. Skulpturen und Zeichnungen

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 6020 Innsbruck, Museumstraße 15

bis 25. April, tägl. außer Mo 10–18 Uhr

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