Ein Weisenrat gegen die Systemkrise

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Ältere Gesellschaften kannten die Institution eines Weisenrates. Uns fehlt wohl etwas Vergleichbares. Richtig bewusst wurde mir das erst, als kürzlich Paul Volcker (83), einer der Vorgänger von Alan Greenspan als Chef der amerikanischen Notenbank, den Bankern insbesondere der angloamerikanischen Schule eine harsche Gardinenpredigt hielt – in einer Offenheit, die sich nur jemand leistet, der schon über den Dingen steht und nichts mehr zu verlieren hat als die Selbstachtung.

„Diener der Realwirtschaft“

Zuerst stellte er fest, die einzig wirklich nützliche Finanzinnovation der letzten zwei Jahrzehnte sei die Erfindung des Bankomaten gewesen – eine ordentlich Breitseite gegen all jene „synthetischen“, „strukturierten“, „derivativen“ und sonst wie sprachlich ins Wissenschaftliche emporveredelten Finanzprodukte, die durchwegs als krisenverschärfende Brandsätze wirkten. Dann wandte er sich gegen exzessive Bonus-Zahlungen, aber auch den reichlich hybriden Anspruch vieler Investmentbanker, „Gottes Werk“ zu verrichten, wie Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein das jüngst für seine Zunft reklamiert hatte.

Paul Volcker steht auch hinter den Plänen Präsident Obamas, den spekulativen und deshalb systemisch gefährlichen Teil des Bankgeschäftes konsequent vom traditionellen Kerngeschäft zu trennen. Auch der kanadische Notenbank-Gouverneur Mark Carney, dessen Land durch kluge Regulierung von großen Finanzpleiten weitgehend verschont blieb, ermahnt die Banker, endlich wieder „servants of real economy“ zu werden. Denn wirkliche Wertschöpfung statt virtueller Geldschöpfung mag das mühsamere Geschäft sein, auf lange Sicht aber zahlt sie sich aus.

Die Bereitschaft der Steuerbürger, auch in Zukunft die Ausfallhaftung für abgehobene Geschäftsfelder des Investment-Banking zu übernehmen, ist mittlerweile jedenfalls gegen Null gesunken. Die Mär von den legitimen Bonus-Ansprüchen rastloser, den Shareholder-Value mehrender Finanzmanager will niemand mehr glauben. Jeder ahnt, dass wir neuerlich mit erhöhten Staatsschulden einspringen müssten, sobald die nächste Welle spekulativer Geldvermehrung an überspitzten Erwartungen bricht. Dafür aber fehlt jeder zusätzliche Spielraum in den Budgets – nicht nur in Griechenland.

Zeit für Manöver ist vorbei

Österreichs Bankenmanager stellen sich der Diskussion zwar pragmatischer als ihre angloamerikanischen Kollegen, reagieren aber in der Mehrzahl zu defensiv. Die erste Reaktion auf eine von Bundeskanzler Faymann in Obamas Windschatten angekündigte Bankensteuer lautete denn auch, man könne mit den Bankzentralen ja nach Bratislava auswandern. Schließlich sei man ja an nichts von alledem ursächlich schuld. Erfrischend prompt nannte Andreas Treichl das in einer Fernsehdiskussion einen Unsinn.

Die Zeit für Lobby-Manöver ist jedenfalls vorbei. Es gilt, Mitverantwortung zu übernehmen, seriöse Ursachenforschung zu betreiben und endlich konstruktive Vorschläge für ein robusteres Bankensystem und eine gerechte Risikoverteilung zu entwickeln. Noch bevor die Finanzkrise zur politischen Systemkrise wird.

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