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Es ist etwas sehr Eigenartiges. Wenn wir über unser Leben sprechen, dann tun wir so, als stünden wir hier und uns vis-a-vis ,das Leben', als wären das zwei verschiedene Dinge. Wir sagen zum Beispiel: Das Leben ist nicht viel wert, es hat keinen Sinn, es ist mir alles schuldig geblieben. Ja, wir und das Leben sind doch eines, wir leben unser Leben. Wir können nicht das Leben anklagen, daß es uns den Sinn schuldig bleibt, denn es kann doch immer nur den Sinn gewinnen, den wir ihm geben. Diesem Leben, von dem Freud so schön und pessimistisch gesagt hat, daß es nicht viel sei, aber dennoch alles, was wir besitzen."

Aus: Erwin Ringel: Die österreichische Seele.

Ja, die österreichische Seele, Erwin Ringel. Das Buch liegt auf meinem Schreibtisch, es lag wohl seit seinem Erscheinen da, als es den üblichen landesweiten Staub aufwirbelte, der immer aufwirbelt, wenn dem Lande ein paar Wahrheiten gesagt werden. Es tut gut, das Buch noch einmal zu lesen, auch ein drittes Mal schadet nicht. Mir ist das Vergnügen geworden, anläßlich der Verleihung des Erwin-Ringel-Kunstpreises 1999 laut daraus vorlesen zu können, fast alles Nachzulesende ist frisch wie am ersten Tag. Fünf, nein sechs (die Jury konnte nicht umhin, noch einen Künstler mehr an ihr richtendes Herz zu drücken) wurden prämiiert, jung allesamt und ansehenswert ihre Arbeiten. Eine Versicherung hielt die Sponsoren-Hand über ihnen, eine Versicherung mit dem schönen Untertitel: Partnerschaft für Vorsorge, Geist & Kunst. Ein Dreiklang, der einen ins Nachdenken geraten lassen könnte. Erwin Ringel, der Arzt im Rollstuhl, seit fünf Jahren tot, war sehr, sehr lebendig an diesem Abend.

Wie meistens bei Vernissagen - und eine Vernissage war diese Preisverleihung ja im Grunde - sieht man von den Kunstwerken selbst nur ab und an frei werdende Ausschnitte, Sekt und Brötchen samt den sie in den Händen Balancierenden ballen sich meist direkt davor. Es gelang mir, eines der schmausenden Grüppchen zu hinterwandern und mit einem der Bilder allein zu sein. Es ist erfreulicherweise bereits verkauft, sein Schöpfer 26 Jahre jung und hat den Professor Ringel wahrscheinlich gar nicht gekannt. Aber er muß etwas von der Seele wissen, laut Ringel braucht ihm selbst die Tatsache gar nicht bewußt zu sein. Ist halt ein weites Land, diese Seele.

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