Ein wirklich gemeines Rating

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Sie haben es getan: Österreich auf AA+ gesetzt. Ebenso einige andere europäische Länder. Seitdem stehen sie in der Kritik: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.

Vermutungen im Hintergrund: Ratingagenturen sind Agenten der Amerikaner, die die Europäer bloß schlecht machen wollen. Ratingagenturen sind dumm, weil sie unseren europäischen Wohlfahrtsstaat nicht verstehen.

Die Fehler der Ratingagenturen in der Wirtschaftskrise sind unbestritten. Sie sind demselben Wahn verfallen wie Banken, Versicherungen, Fonds, Ökonomen. Sie haben riesige Fuhren Mist als Goldschätze eingestuft. Sie haben alles überschätzt, überbewertet.

Aber die aktuelle Diskussion ist genau die entgegengesetzte. Den Ratingagenturen wird vorgeworfen, dass sie durch die Herabstufung von Ländern die Wirtschaftslage verschlechtern; dass sie europäische Staaten zu schlecht bewerten; dass sie alles unterschätzen. Es sei möglicherweise ein irrationaler Pendelschlag, eine überschießende Korrektur der Bewertungen.

Doch die Rating-Skala hat 22-23 Positionen. Die ersten sieben sind sichere Anlagen. Die oberste Position AAA bedeutet: Alles exzellent. Großartig. Keine Probleme. Könnte nicht besser sein.

Willkommen im wirklichen Österreich: Ein Problem jagt das andere, keines wird gelöst, alles wird verschleppt: Schule, Wissenschaft, Pension, Gesundheit, Umwelt und Energie, Infrastruktur, die Bauern, Verwaltungsreform usw. Wer hätte die Kühnheit zu behaupten, alles in diesem Lande sei auf das nächste Jahrzehnt hinaus sicher, problemlos, exzellent?

Auf einer 22-teiligen Skala ist Österreich vom ersten auf den zweiten Platz gerutscht. Es gibt gute Gründe, den Ratingagenturen tatsächlich einen Vorwurf zu machen: dass sie Österreich immer noch viel zu gut einschätzen.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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