Eine Alternative zum Primat des Papstes?

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Worum es im Konflikt zwischen Kardinal Schönborn und Pfarrer-Initiative eigentlich geht. Und was die Kirche vom Apostelkonzil lernen könnte.

Die in der katholischen Kirche als unfehlbar geltende uneingeschränkte Gehorsamspflicht dem Papst und den ihm unterstellten Bischöfen gegenüber wird von der Pfarrer-Initiative durch ihren "Aufruf zum Ungehorsam“, nämlich in wichtigen pastoralen Fragen "dem Gewissen zu folgen und selbständig tätig zu werden“, abgelehnt. Darin besteht der eigentliche Konfliktpunkt in der Auseinandersetzung zwischen jenen Priestern und dem Kardinal, der von Amts wegen und nach seinem dem Papst vor der Weihe geleisteten Treueid von den Pfarrern Gehorsam verlangen muss. Man kann diese Auseinandersetzung nicht auf einige konkrete pastorale Fragen reduzieren, über die man ja reden könnte, sondern es handelt sich um einen Protest der Pfarrer dagegen, dass ihre Anliegen von Rom abgeblockt werden und dass sie und andere nicht bei schon lange anstehenden Reformen mitwirken dürfen. Vielleicht ohne es bewusst zu wollen, stellen sie damit die unfehlbare Lehre vom Primat des Papstes und die hierarchische Struktur der Kirche infrage. Das erklärt die heftige Reaktion des Kardinals, der durch diesen Aufruf in ein Dilemma geraten ist.

Konflikt rührt an die Grundfesten

Eine Lösung dieses Konflikts könnte nur in einer Rückkehr der Pfarrer zum Gehorsam bestehen oder aber in einer Korrektur der Papstdogmen und in einer ganz neuen Praxis gemeinsamer Entscheidungsfindung. Daran wagt in der Kirche kaum jemand zu denken. Und dennoch gab es Vergleichbares am Anfang der Kirche, im sogenannten Apostelkonzil. Dort fand nämlich nicht nur ein "Dialog auf Augenhöhe“ statt (vgl. den Kommentar von Otto Friedrich FURCHE 33, Seite 8). Ein Dialog, den übrigens auch Kardinal Schönborn führt, ist als solcher keine Methode der Entscheidungsfindung, wie auch das Scheitern der Vorschläge des "Dialogs für Österreich“ zeigt. Vielmehr wurde im Apostelkonzil nach "großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen“ (Apg 15,2) gemeinsam entschieden, dass den Heiden, die Christen werden wollten, nicht das ganze jüdische Gesetz, das für die Judenchristen wie ein Dogma galt, auferlegt werden muss. Dies geschah in einer kollegialen Form der Beschlussfassung, wie es sie seither in der Kirche nicht mehr gab (bei den ersten Konzilien setzte der Kaiser die Beschlüsse in Kraft, er nahm die Stellung ein, die heute in der katholischen Kirche der Papst innehat).

In der Apostelgeschichte heißt es: "Da beschlossen die Apostel und die Älteren zusammen mit der ganzen Gemeinde ...“ (15,22), "Als wir einmütig geworden waren, erschien es uns gut ... (15,25), "Denn der Heilige Geist und wir haben es für gut befunden ...“ (15,28). Das Grundprinzip einer solchen gemeinsamen Entscheidung ist die Einmütigkeit unter der alleinigen Herrschaft Gottes, der sich alle unterstellen. Einmütigkeit ist nicht immer Einstimmigkeit in dem Sinn, dass alle die Lösung für die beste halten, verlangt aber, dass alle sie mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Die Leiter(innen) in einem solchen Vorgang stehen weder über der Gemeinschaft, noch genügt es, wenn die Mehrheit entscheidet und sie nur eine Stimme unter den anderen haben. Denn sie sind Zeichen und Werkzeug dieser Einmütigkeit, indem sie eine mögliche Lösung vorlegen oder von einem Glied der Gemeinde oder des Gremiums übernehmen und sich mit allen in der Gemeinschaft einigen wie in einer Ehe. Darin besteht die Synthese des personalen Prinzips mit dem kollegialen. Dann kann es weder zu einer Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit kommen, noch können die Einzelnen die Verantwortung auf die Leitung abschieben. Das bedeutet eine Korrektur im Amtsverständnis des Papstes, der Bischöfe und der Priester, aber auch eine Herausforderung der Gläubigen zur Mündigkeit.

Einmütigkeit als Alternative

Ein dem Apostelkonzil vergleichbares neues Konzil müsste also gleichzeitig die inzwischen - vor allem durch Angleichung an staatliche Machtverhältnisse - entstandene Lehre von der hierarchischen Herrschaft des Papstes und der anderen kirchlichen Amtsträger korrigieren und damit die dogmatische Fixierung derselben aufheben sowie neue Strukturen gemeinsamer Entscheidungsfindung finden und praktizieren. Eine fast unlösbare Aufgabe. Leider entwickelt die Pfarrer-Initiative keine positive Alternative zum derzeitigen hierarchischen System der Kirche. Wie in einem Interview in den "Salzburger Nachrichten“ (20.8.2011) zu lesen war, wurde nicht einmal der "Aufruf zum Ungehorsam“ mit den 300 Mitgliedern der Initiative abgestimmt, sondern vom Vorstand beschlossen. Das ist kein Modell für die Kirche der Zukunft.

Eine Änderung der dogmatisch fixierten Herrschaft des Papstes hat nur dann eine Chance, wenn es nicht nur bessere Theorien, sondern auch gelingende Beispiele einer geschwisterlichen Praxis der Entscheidungsfindung unter kollegialer Leitung gibt. Ausschlaggebend für das Einlenken der Judenchristen auf dem Apostelkonzil waren die Erzählungen von Paulus und Barnabas, "welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte“ (Apg. 15,12). Entsprechende (Basis-)Gemeinden zu bilden, in denen diese neuen Strukturen eingeübt, gelebt und bezeugt werden, wäre daher die vorrangige Aufgabe für eine grundlegende Reform der Kirche.

* Der Autor ist Dozent für Pastoraltheologie an der Uni Innsbruck

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