Eine Branche auf Geldsuche

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Mehr Budget für das Österreichische Filminstitut, eine Wirtschaftsfilmförderung und ein neues ORF-Gesetz lassen und auf mehr Geld für Österreichs Filmschaffen hoffen.

Karl Markovics wechselt jetzt hinter die Kamera und führt bei seinem ersten Spielfilm „Atmen“ selbst Regie. Doch bis eine solche Meldung herausgegeben werden kann, vergehen oft Jahre an Vorbereitung, und damit ist nicht bloß das Verfassen des Drehbuchs gemeint.

Film ist mit Abstand die teuerste aller Kunstformen, weshalb es seit Jahren beständige Diskussionen um die Finanzierung des österreichischen Films gibt. Zu den Kosten für die Dreharbeiten mit Gagen für die Dutzenden Mitarbeiter, von Regie bis Kamera, von Schauspieler bis Komparsen, von Ton bis Ausstattung, von Make-up bis zum einfachen Fahrer, gesellen sich noch weitere Summen: Drehbuch, Rechte, Stromkosten, Schnitt, Filmkopien, Versicherungen bis hin zur Erstellung des täglichen Drehplans – all das muss bezahlt werden, und die hier aufgeführten Posten stellen nur einen Bruchteil des Gesamtaufwands dar. So ist es auch kein Wunder, dass Spielfilme wie Michael Hanekes „Das weiße Band“ stolze acht Millionen Euro kosten, die allerdings im Vergleich mit US-Filmen wie „Avatar“ (Budget: 180 Millionen Euro) noch immer spottbillig anmuten.

Ein durchschnittlicher heimischer Spielfilm verschlingt zwischen einer und zwei Millionen Euro an (Förder-)Geldern. Im Fall von Markovics’ Spielfilmdebüt sind es 450.000 Euro an Subvention, die allein vom Österreichischen Filminstitut (ÖFI), dem wichtigsten heimischen Fördergremium, zugezahlt werden. Ein weiterer wichtiger Förderer: Bis zu 350.000 Euro kommen vom Wiener Filmfonds (WFF) dazu, daneben noch Geld von Landesförderungen und dem ORF.

Deppate & Gspritzte, Lebend & Tote …

Zwei andere Prestigeprojekte, Barbara Alberts „Die Lebenden und die Toten“ (170.000 Euro vom ÖFI) und die „Echte Wiener“-Fortsetzung „Die Deppat’n und die Gspritzt’n“ (723.500 Euro vom ÖFI) erhielten ebenfalls kürzlich grünes Förderlicht für ihre Umsetzung. Bei beiden (nur zufällig ähnlich klingenden) Filmtiteln kommen in großem Maße Referenzmittel zum Einsatz: Geld, das den Produzenten automatisch zur Verfügung steht, wenn sie bereits erfolgreiche Kinofilme gedreht haben.

Österreichs Film braucht Geld, das illustrieren die genannten Beispiele. Mit Oscar, Goldener Palme und Co. ist seit gut zwei Jahren Bewegung in die Kulturpolitik gekommen, weil man erkannt hat, dass der heimische Film im Ausland hoch angesehen ist (und sich solche Tatsachen auch politisch gut verkaufen lassen). Die Folge: Kulturministerin Claudia Schmied erklärte den Film zur Chefsache und erhöhte schrittweise das Budget des ÖFI, das 2010 mit 16,6 Millionen Euro eine Million mehr zur Verfügung hat als im Vorjahr. Das Ziel: 20 Millionen Euro jährlich bis zum Ende der Legislaturperiode.

Erst Ende Februar passierte zudem das neue ORF-Gesetz den Ministerrat. Bis 2013 sollen insgesamt 160 Millionen Euro an Gebührenrefundierung ins ORF-Budget fließen, darunter auch ein Teil für die Filmförderung. Der ORF ist durch das seit 1981 bestehende Film-Fernsehabkommen der wichtigste Partner der Filmwirtschaft. Wird ein Film vom ÖFI gefördert, so finanziert der ORF meist ebenfalls mit. „Die gesetzliche Verankerung des Film-Fernsehabkommens bringt unverzichtbare Impulse für die heimische Filmlandschaft. Auch die verstärkte Präsenz österreichischer Filmproduktionen im Fernsehen ist zu begrüßen“, so Ministerin Schmied.

Dem Beschluss zum neuen ORF-Gesetz gingen monatelange Debatten voraus, in denen von Seiten der Filmbranche die Angst vor dem Kaputtsparen des ORF und die daraus folgende Abschaffung des Film-Fernsehabkommens befürchtet wurden. Die Folge: Stockende Produktionen und unsichere Zukunftsprognosen. Doch Bundeskanzler Werner Faymann wischte diese Spekulationen mit Verweis auf internationale Filmerfolge weg: „Wie wichtig die Filmförderung ist, zeigt sich ja gerade in letzter Zeit.“

ORF-Gesetz: eine berechtigte Hoffnung

Das neue ORF-Gesetz wird von der Branche begrüßt: „Es ist als großer Schritt zu bewerten, dass im Bemühen um eine wirtschaftliche Sicherstellung des ORF österreichische Programmvielfalt und die Zusammenarbeit mit der österreichischen Filmwirtschaft als eine der zentralen Aufgabenstellungen erkannt wurden“, meint Veit Heiduschka, Produzent der Haneke-Filme und Präsident des Produzentenverbandes „Film Austria“. Und Produzent Danny Krausz, Obmann des Fachverbandes der Film- und Musikindustrie: „Es war ganz wichtig, dass die Verhandlungen jetzt einen Abschluss gefunden haben und somit die sofortige Umsetzung der wichtigsten Ziele in Angriff genommen werden können. Der ORF hat bereits Weichenstellungen im Programm angekündigt.“

Unmut regt sich derweil an einer anderen Front: Die Novelle zum Filmförderungsgesetz (FFG), die Anfang Februar in Begutachtung ging, stieß dem Fachverband der Lichtspieltheater sauer auf: In der Novelle soll die Verkürzung der Sperrfristen für die Auswertung ÖFI-geförderter Filme geregelt werden. Bisher durfte ein Kinofilm frühestens zwölf Monate nach seiner Erstaufführung zweitverwertet werden – zum Beispiel für Online-Abrufdienste wie Pay-per-view. Diese Zeit soll nun auf sechs Monate halbiert werden. Die Sperrfristen für Ausstrahlungen im Bezahlfernsehen sollen von 18 auf zwölf Monate gesenkt werden, jene fürs frei empfangbare TV von 24 auf 18. Die DVD-Sperrfrist von sechs Monaten soll unverändert bleiben. All das geschehe „im Interesse der Filmschaffenden“, wie Claudia Schmied erklärte.

Der Fachverband der Lichtspieltheater ortete darin einen „Anschlag auf die heimischen Kinos“. Obmann Kurt Kaufmann las aus dem Gesetzesentwurf heraus, „dass künftig geförderte österreichische Filme nicht mehr unbedingt in österreichischen Kinos gezeigt werden müssen“. Und Siegfried Schüßler vom Fachverband der österreichischen Kinos legte nach: „Wenn die Erstauswertung im Kino abgeschafft wird, trifft dies sämtliche Kinobetriebe massiv und würde zu einer dramatischen Reduktion der Lichtspieltheater führen. Künftig liegt es im alleinigen Ermessen der Produzenten, mit welcher Kopienanzahl der Film auf den österreichischen Markt kommt und wie lange der Film in den heimischen Kinos läuft, bevor er auf DVD erscheint.“

Kein „Anschlag“ auf heimische Kinos

Die Reaktion des ÖFI ließ nicht lange auf sich warten: „Der ‚Anschlag‘ auf die heimischen Kinos ist unbegründet“, sagt ÖFI-Chef Roland Teichmann. „Die FFG-Novelle sieht weder eine direkte noch indirekte ‚Abschaffung‘ der Erstauswertung im Kino vor.“ Man hätte die Sperrfristen bloß an deutsche Verhältnisse angepasst. Um nicht von der Gesetzgebung beim wichtigsten Koproduktionspartner Deutschland abhängig zu sein, erscheint es dem ÖFI sinnvoll, Sperrfristen im eigenen Aufsichtsrat festzulegen, „in dem die gesamte Branche, also auch der Bereich Verwertung, vertreten ist“, so Teichmann. „Die Primärauswertung geförderter Filme im Kino wird dadurch keinesfalls beeinträchtigt“.

Die Debatte zeigt, dass langsam auch das heimische Publikum zu österreichischen Filmen in die Kinos geht. Bisher dümpelte der Marktanteil des österreichischen Films angesichts der Übermacht des US-Kinos bei mauen zwei Prozent, doch 2009 kamen – dank Filmen wie „Echte Wiener“ oder „Let’s Make Money“ – schon 1,4 Millionen Österreicher zu heimischer Filmware in die Kinos, bei insgesamt 18,4 Millionen verkauften Kinotickets.

Film ist nicht nur Kunst, sondern kann Geld bringen. Daher ist nun auch das Wirtschaftsministerium mit einem neuen Fördermodell erstmalig als Filmförderer tätig. 2010 gibt es fünf Millionen Euro dieser neuen Wirtschaftsfilmförderung, die nach dem Vorbild eines deutschen Fördermodells funktioniert. Ursprünglich forderte die Filmindustrie 20 Millionen jährlich, was die beschlossene Summe wie einen Tropfen auf den heißen Stein wirken lässt. Gefördert werden heimische Filme und Koproduktionen. Wenn „James Bond“ also wieder einmal in Österreich dreht, kann er Geld von Minister Mitterlehner beantragen, sofern ein österreichischer Produktionspartner vorhanden ist. Das Ziel: Den Filmstandort Österreich stärken – durch Beschäftigung von Kreativen, durch Anreize bei Drehorten. Seit vielen Jahren etwa drehen indische Großproduktionen mit Vorliebe in den Tiroler Bergen, was Arbeitsplätze und Tourismuswerbung bringt. Und dadurch letztlich mehr Geld für den Finanzminister. Es scheint, als hätte die Politik diese Umweg-Effekte endlich erkannt.

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