Eine dieser wundersamen Reisen

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A ls Magazinlegenden bildeten sie ein Dreigestirn: Time mit seinen Männern des Jahres, Newsweek mit seinem hartnäckigen Abonnementvertrieb und Life, wo ein Foto ein ganzes Thema auf den Punkt bringen konnte. Gedruckt gibt es nur noch Ersteres. Life musste gleich mehrere Tode sterben, um heute sein Dasein in Form einer Bilddatenbank zu fristen. Wie tief die Marke weiterhin in den Köpfen verwurzelt ist, zeigt "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“. Die Komödie legt sich ihren eigenen Life-Kosmos zurecht, der erst dieser Tage endet.

Als die Wahl des letzten Titelbilds ansteht, trifft Nachricht vom Starfotografen ein: Er habe Walter Mitty (Ben Stiller), seinem Vertrauensmann beim Heft, ein Foto von der Quintessenz des Lebens geschickt. Der Film ist angekommen, nur klafft genau dort eine Lücke, wo besagtes Negativ sein sollte - ein Problem mehr für den stillen Walter, der niemals irgendwo hingereist ist oder etwas besonderes erlebt hat, aber ständig in abenteuerliche Tagträume verfällt. Außerhalb dieser traut er sich kaum, seine Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) anzusprechen. Als er es doch schafft, gibt sie ihm einen Tipp: Die anderen Bilder könnten Hinweise sein, wo der Fotograf und das eine Negativ zu finden sind.

Sehnsuchtsgefühle nach verlorenen, entdeckungslustigen Zeiten und die Sinnsuche eines kleinen Mannes verbinden sich in dieser Schnitzeljagd. Nicht weniger ikonisch als Life ist dabei die Figur des Walter Mitty, die aus einer Kurzgeschichte des Autors James Thurber heraus ihr Eigenleben entwickelte: "Mittyesk“, das wurde in Amerika zum Synonym für einen gedankenversunkenen Herumfantasierer oder Lügenbaron, der Stoff wiederum zum Spielraum der Ideen. Schon 1947 nutzte ihn Danny Kaye für sich, als ihm "Das Doppelleben des Herrn Mitty“ auf den Komödiantenleib zurecht geschneidert wurde. In dessen Fußstapfen tritt Ben Stiller, wenn er die Vorlage nach seinem Stil ausmodelliert - als Starvehikel, das sich unter seiner Regie nicht nur ins Kino, sondern ins Kulturgut einschreiben will. Im Wechsel zwischen Situationen, die auch in die Schaukastenwelt eines "Nachts im Museum“ passen würden, und der ernsten Absurdität, die immer wieder für Komikerausflüge ins dramatische Fach herhält, entsteht eine dieser wundersamen Reisen, die sich die Überlebensgröße zum Maßstab setzt.

Umfeld für bedeutungsvolle Stimmung

Als angedachtes Opus magnum ist sie voll mit imposanten Orten und Panoramen, in denen die Figuren meist absichtlich klein wirken. Räumlich ausbreiten darf sich derweil die sorgfältigst, wenngleich innovationslos ausgewählte Musik - Stichwort: unvermeidlicher David-Bowie-Song. In diesem Umfeld breitet sich bedeutungsvolle Stimmung aus: Ein Abenteuer miterleben, wider alle Umstände, dieser Funke springt bei "Walter Mitty“ über. Die selben ausgesuchten Elemente belasten den Film aber auch: Permanent wirkt er durch-, ja übergestaltet. Jeder Blick, jede Einstellung trimmt sich auf Covertauglichkeit, jede Botschaft wird doppelt und dreifach unters Volk gebracht. Damit landet Ben Stiller zwar nicht bei der Quintessenz des Lebens, aber bei jener des Gegenwartskinos: Verpacken vor Erzählen.

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty)

USA 2013. Regie: Ben Stiller. Mit Ben Stiller, Kristen Wiig, Sean Penn. Centfox. 114 Min.

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