Eine entlarvende Satire auf hohem künstlerischen Niveau

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Erstaufführung am Landestheater Linz: Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk", ein geniales Musikdrama in kongruenter, mitreißender Inszenierung.

Das Große Haus des Linzer Landestheaters schien fast zu klein für die Gewalt der aufwühlenden Musik, die Dimitri Schostakowitschs Oper kennzeichnet. Als Vorlage diente dem Komponisten die gleichnamige Novelle von Nikolaj S. Leskow. Die Uraufführung fand 1934 in St. Petersburg statt, als man noch "Leningrad" schrieb. Allerdings erzählt Schostakowitsch mit seiner Musik eine Geschichte über "die Folgen von Gewalt" und nennt seine Oper "eine entlarvende Satire …, die dazu zwingt, die ganze schreckliche Willkür und das Beleidigende des Kaufmannsmilieus zu hassen". Unausgesprochen blieb, welche Willkür hier widergespiegelt wird.

Aus Vorsicht bezeichnete der Komponist die "Lady" nur als den ersten Teil einer geplanten Trilogie. Vergeblich. Zwar hatte die Oper zunächst sensationellen Erfolg. Der Rückschlag kam aber schneller als befürchtet: Stalin hatte 1935 eine Vorstellung im Bolschoi-Theater besucht und dieses in der Pause wieder verlassen, weil ihm angeblich die Handlung "zu grausam" gewesen sei. Die Prawda titelte "Chaos statt Musik". Über Nacht zur Unperson geworden, musste Schostakowitsch längere Zeit um sein Leben fürchten. Erst 1963 durfte "Lady Macbeth von Mzensk" in einer umgearbeiteten Fassung wieder aufgeführt werden. Die 1979 erschienene, drastischere Erstfassung, die sich seither längst durchgesetzt hat und höchste Anforderungen an alle Mitwirkenden stellt, wird derzeit in Linz auf hohem künstlerischen Niveau in deutscher Sprache mit zusätzlichen deutschen Übertiteln gezeigt.

Überzeugende Interpretation

Weder die Singschauspieler als Protagonisten in Baeslers zupackender Personenregie, noch das zweigeteilte Bruckner-Orchester Linz, das Dirigent Ingo Ingensand bis ans dynamisch mögliche Limit führt, noch der Chor und Extrachor (Leitung Georg Leopold) oder die Statisterie des Landestheaters blieben dem Werk etwas an überzeugender Interpretation schuldig (Bühne: Karel Spanhak; Kostüme: Hendrike Bromber).

Für das Gesangsensemble seien hervorgehoben: Alaine Rodin mit ihrer zur Figur der Katerina in der Höhe passenden spröden Stimme wandelt sich beeindruckend von der frustrierten Ehefrau zur sexbesessenen Mörderin. Sie ist für Schostakowitsch die eigentliche Heldin der Oper. Und was die Deutlichkeit ihrer Liebesszenen mit Sergej, einem "Kerl", anbetrifft (sehr treffend: Erik Nelson Werner), der sie später von sich stoßen wird, ist es gespielter "Sex" ohne Nuditäten. Klaus-Dieter Lerche gibt den widerlichen Kaufmann Boris Ismailow, als Schwiegervater Katerinas ein lüsterner Grapscher, der sie begehrt und überwacht. Katerina Hebelkova ist als faszinierend dunkel-timbrierter Mezzo und eiskalt berechnende Sonjetka eine Entdeckung.

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