Eine Frage der Demokratie

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Finanzlöcher und trübe Perspektiven, genügend Mittel zu lukrieren, setzen dem ORF dramatisch zu. Die Geld-Frage ist bloß Ausdruck einer Entwicklung, die ans Fundament der Gesellschaft reicht.

Ist der ORF zu retten? Solch Stoßseufzer ist keine rhetorische Frage. Enorme Finanzlöcher und, gelinde gesagt, trübe Perspektiven, genügend Mittel aus Werbung oder Gebühren zu lukrieren, um den Status quo aufrechterhalten zu können: Die Diskussionen der letzten Tage verdeutlichen, dass das Überleben der öffentlich-rechtlichen Anstalt von gravierenden Maßnahmen abhängt.

Die Probleme, die größte Medienorgel im Land zu finanzieren, sind bloß der wirtschaftliche Ausdruck einer Krisenentwicklung, die viel tiefer reicht und ans demokratische Fundament der Gesellschaft rührt: Gibt es noch Raum für öffentliche Auseinandersetzung? Müht sich die gegenwärtige Gesellschaft um diesen öffentlichen Raum? Und stellt der ORF noch einen wesentlichen Teil davon dar? In solchen Kontext muss oben gestellte Rettungs-Frage gesetzt werden. Stimmt es, wie der lang gediente ORF-Kämpfer Peter Huemer meint, dass auch hierzulande das Unterhaltungsbedürfnis über das Informationsbedürfnis gesiegt hat (Seite 16/17 dieser FURCHE)? Und ist es von daher vergebliche Liebesmüh’, sich für einen öffentlichen Rundfunk im Lande stark zu machen?

Nichts als vergebliche Liebesmüh’?

Die Fragen liegen auf dem Tisch. Antworten dazu sind allerdings nach wie vor nicht klar. Sicher ist: Kontroversen, wie sich der ORF am Medienmarkt zu bewähren hat, was er dabei darf und was nicht und wie seine Mitbewerber Bedingungen für fairen Wettbewerb vorfinden, sind natürlich zu führen. Aber diese Debatten sind nur die Folge davon, dass die (demokratie)politische Auseinandersetzung um den ORF nicht geführt wird. Nicht von der Anstalt selbst, die ins tagtägliche Überleben verstrickt ist. Nicht von der Politik, die erkennbar der Versuchung weiter unterliegt, den ORF aus parteipolitischer Perspektive formen zu wollen. Aber auch nicht von der (Zivil-)Gesellschaft.

Man mag der derzeitigen ORF-Führung unglückliches Agieren vorwerfen. Das Grundproblem, dass der ORF nämlich als öffentliche Institution so deutlich schwächelt, ist jedoch nicht in erster Linie auf Managementfehler zurückzuführen. Ob der Krampf rund um die gegenwärtige Regierungsbildung, ob das, was unter „Politikverdrossenheit“ subsumiert wird, ob die schwindende Relevanz sozialer, aber auch religiöser Institutionen: all das ist Ausdruck einer allgemeinen Befindlichkeit und letztlich der verbreiteten Unfähigkeit, sich den Problemen der Zeit diskursiv und in einem Wettstreit der Ideen zu stellen. Demokratie lebt aber von – öffentlichem! – Wettstreit in diesem Sinn.

Was schon der Gesellschaft als Ganzes abgeht, betrifft gleicherweise den ORF, der ein besonderer öffentlicher Raum in skizzierter Weise sein müsste. Wenn der ORF also zu retten wäre, dann müsste er vordringlich in diesem Bereich tätig werden und in der Öffentlichkeit wie auch gegenüber der Politik argumentieren, wie unentbehrlich er als öffentliche Anstalt für dieses Zukunfts-Ringen der Gesellschaft ist. Die lähmenden politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart sind ja auch ein Ausdruck dafür, dass dieses breite öffentliche Ringen zurzeit schlicht und einfach nicht stattfindet.

Öffentliches Ringen findet nicht statt

Das gegenwärtige ORF-Management hat – Anleihen bei vergleichbaren Auseinandersetzungen um die britische BBC nehmend – einen Diskussionsprozess zum Public Value des ORF in Gang gesetzt. Diese Diskussion über den „öffentlichen Mehrwert“, die nichts anderes als die gesellschaftliche Legitimation des ORF zum Thema hat, ist mehr als überfällig. Jede ehrlich gemeinte Initiative dazu kann nur begrüßt werden.

Die öffentliche Anstalt ORF hat also eine eminent demokratiepolitische Funktion. Dazu gehören im Übrigen auch kulturelle und „nationale“ Komponenten: Der Zusammenhalt einer Gesellschaft wird wesentlich auch über kulturelle Fragen und die Identitätsstiftung bestimmt. Man muss den ORF hier in die Pflicht nehmen. Und ihm gleichzeitig alle Rahmenbedingungen schaffen, die dafür notwendig sind.

otto.friedrich@furche.at

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