Eine Frage der Identität

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In Frankreich wird über ein Burka-Verbot im öffentlichen Raum nachgedacht. Auch andere europäische Länder debattieren diesen Vorstoß. In Österreich ist man sich einig: Die Ganzkörperverschleierung sei kein Problem.

„C’était l’enfer“ – „Es war die Hölle“, beschreibt die Französin Bérengère Lefranc ihr Leben mit beziehungsweise unter der Burka. Im Juni 2009 entschloss sich die 40-jährige Künstlerin dazu, einen Monat lang die traditionelle Kleidung afghanischer Frauen anzulegen – ein Selbstversuch.

„Unter der Burka ist es unmöglich, mit anderen zu kommunizieren. Ich habe die ganze Aggressivität der Leute abbekommen, ohne sie besänftigen zu können“, beschreibt Lefranc ihr Leben als vermummte Frau in ihrem Buch „Un voile“ („Der Schleier“), das jetzt in Frankreich erschienen ist – just zu der Zeit, da ganz Frankreich über ein geplantes Burka-Verbot diskutiert.

In Frankreich „unerwünscht“

Wie umgehen mit Frauen, die Burka und Niqab tragen? Diese Frage beschäftigt nicht nur Frankreichs Regierung. Weite Teile der Bevölkerung beteiligen sich seit Monaten rege an der teils heftig geführten Debatte, die Teil einer von Einwanderungsminister Eric Besson initiierten Diskussion über die „nationale Identität“ Frankreichs ist.

Die Vermummung von Frauen sei „in Frankreich unerwünscht“, erklärt Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der die Burka als „Zeichen der Unterdrückung“ sieht. Auch im Pariser Parlament steht eine Mehrheit hauptsächlich konservativer Abgeordneter hinter einem Verbot des Kleidungsstücks. „Das Tragen von Ganzkörperschleiern verstößt gegen die republikanischen Werte“, so der Präsident der Nationalversammlung, Bernard Accoyer, Mitglied der konservativen UMP und Parteifreund Sarkozys. Dass die Bekleidungsstücke Burka (ein Überwurf mit einem engmaschigen Stoffgitter vor dem Gesicht) und Niqab (ein Gesichtsschleier zusätzlich zum Kopftuch, der nur einen Schlitz für die Augen freilässt) dabei regelmäßig verwechselt und durcheinandergebracht werden, ist symptomatisch für die aufgeheizte Stimmung.

In der Bevölkerung können die Politiker mit Rückhalt rechnen: Zwei von drei Franzosen sind für ein umfassendes gesetzliches Verbot der Ganzkörperverschleierung muslimischer Frauen. Dabei gäbe es in Frankreich laut aktueller Zählung nur rund 1900 Frauen, die sich komplett verschleiern.

Selbst von muslimischer Seite gibt es Unterstützung für ein entsprechendes Gesetz. Der Pariser Imam Hassen Chalghoumi, der für seine guten Kontakte zur jüdischen Gemeinde bekannt ist, spricht sich offen für ein Verbot aus und lebt seither mit Todesdrohungen. Kritik an dem Gesetzesvorschlag kommt hingegen von der Opposition, aber auch von der französischen Bischofskonferenz sowie vom Rat für den interreligiösen Dialog in Frankreich.

Ob ein Gesetz gegen die Vermummung der Frauen kommt, entscheidet sich im März. Ein parlamentarischer Ausschuss empfiehlt jedenfalls, Burka-Träger- innen den Zutritt zu öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Krankenhäusern sowie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu verbieten.

Mittlerweile ist die Diskussion auch in anderen europäischen Ländern angekommen. Italiens Regierung überlegt ebenfalls, Burka und Niqab zu verbieten. „Dafür ist in der dänischen Gesellschaft kein Platz“, erklärte die rechtsliberale Minderheitsregierung vergangene Woche in Kopenhagen. Die Publizistin und einstige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün hat sich für ein Verbot von Ganzkörperschleiern in Deutschland ausgesprochen.

In Österreich kaum vorhanden

Mit ihrer Ablehnung der Ganzkörperverschleierung löste Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek Ende des Vorjahres eine – im Gegensatz zu Frankreich kleine – Diskussion über das heikle Thema aus. „Ich lehne die Burka als Zeichen der Unterdrückung von Frauen ab“, erklärt die Ministerin, räumt aber ein, dass dies derzeit kein Problem in Österreich sei. Wären voll verschleierte Frauen bei uns häufiger, müsste man ein Verbot prüfen.

Auch aus Sicht der Islamischen Glaubensgemeinschaft gibt es derzeit kein Problem mit völlig verschleierten Frauen. „Wer Burka oder Niqab in Österreich kaufen wollte, würde wohl nicht fündig werden. Es gibt keinen Markt dafür und die Besitzerin eines speziell auf muslimische Frauen ausgerichteten Geschäftes würde sie auch nicht ins Sortiment aufnehmen“, berichtet Carla Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Einzig im Sommer sei der Gesichtsschleier hin und wieder bei Touristinnen zu sehen.

Dennoch, die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich spricht sich eindeutig gegen ein Verbot des Ganzkörperschleiers aus: „Gerade in Bezug auf Themen, bei denen individuelle Grundrechte und die Religionsfreiheit berührt sind, ist ein breiter gesellschaftlicher Diskurs zielführend und nicht das Verschieben in die Gesetzgebung“, so Baghajati. „Das Selbstbestimmungsrecht der Frau ist ernstzunehmen und schließt die Akzeptanz anderer Lebensentwürfe ein.“

Ein Vorwurf der Islamischen Glaubensgemeinschaft trifft wohl nicht nur auf die Diskussion in Österreich zu: „Schon wie hier die Begriffe zu verschiedenen Kleidungsstücken durcheinandergebracht werden, zeigt, dass es nicht um ein reales Problem und dessen Lösung geht. Vielmehr steht im Raum, dass nach einem Katalysator für diffuses Unbehagen angesichts einer sich verändernden Gesellschaft gesucht und dem Islam immer häufiger Hegemonialstreben unterstellt wird.“

„Wenn jemand dieses Leid freiwillig aushält, hat er wirklich gute Gründe, es zu tun. Jene aber, die gezwungen werden, die Burka zu tragen, bedauere ich aus tiefstem Herzen“, so die französische Buchautorin Bérengère Lefranc.

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