Eine Galionsfigur der österreichischen Kirche

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Es ist schon mehr als 20 Jahre her, dass in katholischen Kreisen eine Karikatur kursierte, die Kardinal Hans Hermann Groër von Wien mit seinem damaligen Weihbischof Kurt Krenn als Don Quijote und Sancho Pansa darstellte. Ein Mitglied der Bischofskonferenz, so die Flüsterpropaganda, habe sich frustrierende Sitzungen mit dem Zeichnen erträglicher gemacht. Irgendwann wurde dann ruchbar, dass die ein wenig respektlose, aber treffende Grafik dem Zeichenstift des Innsbrucker Hirten Reinhold Stecher entsprossen war.

Dass Reinhold Stecher neben seiner Aquarellmalerei auch ein mehr als talentierter Karikaturist war, ist wenig bekannt, ergänzt aber das Bild dieses wortgewaltigen, humorvollen und messerscharf denkenden wie formulierenden Kirchenmanns. Sein jüngstes Buch, "Spätlese“, erschien erst im Herbst - und wurde zum Bestseller - die vierte Auflage liegt mittlerweile vor.

Stecher, 1921 in Innsbruck geboren, trat 1939 ins Priesterseminar ein und wurde 1941 von der Gestapo inhaftiert, weil ihm die NS-Schergen vorwarfen, eine Protestwallfahrt organisiert zu haben. Stecher entging dem KZ um Haaresbreite, musste aber als Soldat in den Osten. Seine Kriegserfahrungen hinterließen tiefe Spuren in seinem Leben.

Religionspädagogik war das eine große Thema des 1947 zum Priester Geweihten, ab 1968 lehrte er dies an der Pädagogischen Akademie. 1980 wurde Stecher zum zweiten Bischof der 1964 errichteten Diözese Innsbruck ernannt, bis 1997 leitete er das Tiroler Bistum. Sein "politisches“ Meisterstück gelang ihm 1988, als er den Kult um das mit einer mittelalterlichen Ritualmordlegende verbundene Anderl von Rinn gegen viele - gerade auch kirchliche - Widerstände verbot und so eines der glaubwürdigsten Zeichen dafür setzte, dass die katholische Kirche mit unseliger und unsäglicher antijüdischer Tradition gebrochen hat.

In Tirol war Stecher ob seiner gradlinigen Art und Sprache und ob seiner Naturverbundenheit so populär wie kaum ein anderer. In Rom hingegen galt der Bischof hingegen als vom heimischen liberalen Kirchenvirus infiziert. Denn Stecher nahm sich auch der Kirchenleitung gegenüber kein Blatt vor den Mund. Er warf ihr vor, zu wenig die Sorgen und Nöte der Gläubigen und insbesondere der Laien im Blick zu haben. Er sprach sich für die Priesterweihe verheirateter Männer und den Diakonat der Frauen aus. Er warb in großer Treue für seine Kirche und ließ sich gleichzeitig nicht den Mund verbieten.

Typisch für Stecher blieb auch die Klarheit in der Sprache, er war kein Hinsichtl oder Rücksichtl, wie viele Mitbrüder im Bischofsamt. Für eine große Zahl von Katholiken in Tirol und ganz Österreich stellte er eine Säule der Hoffnung in winterlicher Kirchenzeit dar.

Österreichs katholische Kirche hat in den letzten Jahrzehnten Kraft gerade aus dem Wort und der Perspektive ihrer Emeriti geschöpft, man muss da nicht nur das Beispiel von Kardinal König bemühen: Auch Reinhold Stecher stellte seine Lebenskraft und -weisheit in den Dienst der Verkündigung der Hoffnung - trotz allem. Er repräsentierte eine katholische Kirche, nach der sich viele Katholiken im Land sehnen. Sein persönliches Charisma war, dies auch pointiert aussprechen zu können. Ein grader Michel im Bischofsamt. Einer, der sich erkennbar für seine Leute verwandt hat - auch in Rom. Und einer, der seinen Humor nicht verloren hat.

Bis zuletzt war er agil und aktiv. Am 28. Jänner feierte er noch Eucharistie und predigte, danach erlitt er einen Herzinfarkt, dem er einen Tag später erlag. Österreichs katholische Kirche beklagt den Verlust einer Galionsfigur.

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