Eine Heimat für Schwarzkopf

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Die Gesetze der Europäischen Union und Österreichs verbieten die Diskriminierung von Menschen aufgrund von Herkunft, Religion oder | anderen Gründen. Doch sie passiert, wie die Geschichte des Wiener Rappers Nazar zeigt. Der Film "Schwarzkopf“ kommt jetzt ins Kino.

"Mann, die Straße hat mich hart gemacht, zu einem Krieger des Betons hier am Straßenrand … Die meisten wollen zurück in ihr Vaterland … Ganz egal, welchen Glauben du in dir trägst, hier in Wien sind wir eins, weil wir zu einander stehen.“ Das singt Rapper Nazar in "Kinder des Himmels“, 2008. Es geht um seine Jugend in Wien.

Favoriten ist ein schwieriges Pflaster für manche der Jugendlichen, die ihre Zeit am Reumannplatz, in Jugendzentren oder in den Parkanlagen des zehnten Wiener Gemeindebezirks verbringen. Die Öffentlichkeit bezeichnet sie politisch korrekt als "Jugendliche mit Migrationshintergrund“. Sie selbst nennen sich wegen ihrer Haarfarbe "Schwarzkopf“ - und sie betonen damit ihre Andersartigkeit gegenüber vermeintlich echten Österreichern. Nach dem Milieuausdruck "Schwarzkopf“ benannte Drehbuchautor und Regisseur Arman T. Riahi sein Filmdebüt, das im März 2011 in Österreichs Kinos kommen wird.

Hauptfigur des Filmes ist der im Iran geborene Wiener Rapper Nazar. Der 26-Jährige entspricht allen Schwarzkopf-Klischees und repräsentiert so die Geschichte vieler Jugendlicher in Österreich: Er kam mit seiner Mutter während des Iran-Irak-Krieges als politischer Flüchtling nach Österreich, verbrachte seine Jugend in Favoriten, erreichte keinen Schulabschluss. Er saß kurz in Untersuchungshaft, danach stand er ohne Perspektive auf der Straße. Die Welt des Rap war ihm Zufluchtsort. Später brachte sie ihm Erfolg.

Harter Rap ist ein Ventil der Jugendlichen

Aus den US-Ghettos kommend, in teils harte Texte und Beats verpackt, ist Rap längst in Österreich angekommen. Die Musik trifft das Lebensgefühl der zweiten und dritten Generation Zugewanderter. Wegen trister ökonomischer Verhältnisse und sozialer Kluft fühlen sich die Jugendlichen mit multiethnischen Wurzeln in Österreich ausgegrenzt und chancenlos. Als Outsider der Gesellschaft. Um Halt zu finden, treffen sie sich in Zentren und Vorstadtlokalen, wo sie ihre Gefühle und ihr Leben musikalisch auszudrücken und darzustellen versuchen, eben rappen. "Rap-Musik ist für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Ventil für die Verarbeitung negativer Erlebnisse gegenüber familiären, gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen“, erklärt der Regisseur Riahi: "Viele sehen in Rap eine Chance, ihr Leben zu verändern und ihrem sozioökonomischen Milieu zu entfliehen.“

Während der Dreharbeiten bemerkte Riahi, dass es den Jugendlichen um die Suche nach ihrer Identität geht. Kaum jemand aus diesem Milieu fühlt sich als Bürger der Europäischen Union, sie fühlen sich nicht einmal als Österreicherinnen und Österreicher. Viele basteln aus Versatzstücken ihre Identität, schöpfen dabei aus dem unmittelbaren Umfeld persönlicher und gesellschaftlicher Erfahrungen.

Manche Jugendliche sind durch traumatische Erlebnisse geprägt, die sie auf dem Weg nach Österreich erlitten. Andere kennen ihre zurückliegenden kulturellen Wurzeln nur aus den Erzählungen ihrer Eltern. Das prägt Identität am stärksten. "In der Arbeit mit den Protagonisten meines Filmes habe ich erkannt, dass Kinder und Jugendliche stabile familiäre Beziehungen und Strukturen brauchen“, so der Filmemacher: "Ohne diese Grundsäule gibt keine tiefgreifende Identifikation mit Österreich oder einer anderen Heimat. Ohne familiären Halt ist jeder Jugendliche wurzellos, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund.“ Genau diese Hintergründe versucht der Film "Schwarzkopf“ auszuleuchten. Die diesbezüglichen eigenen Erfahrungen von Riahi und des Schauspielers Faris Endris Rahoma verschaffen dem Film Authentizität, allerdings um den Preis mancher bitterer Erfahrung.

Wegen lästiger Fragen den Namen geändert

Als Jugendlicher sei er im zehten und im 15. Bezirk Wiens "schon einige Male mit dem Alltagsrassismus der Mehrheitsgesellschaft“ konfrontiert gewesen, sagt Arman T. Riahi. Ähnliches berichtet Rahoma: "Das ergab sich beim Fußballspielen im Käfig im Gemeindebau. Die anderen stellten die ewige Frage: Faris? Warum hast du so einen komischen Namen? Woher kommt dein Vater?“ Das waren dann für Rahoma die Gründe, sich als Andi auszugeben, also die eigene Identität nahezu zu verleugnen, um einer - in der Europäischen Union grundsätzlich nicht zulässigen - Diskriminierung zu entgehen. Faris Rahoma sagt über seine Namensverstellung als Andi heute: "Das ging so weit, dass meine Mutter, wenn sie etwas von mir wollte, ihr Kind beim falschen Namen rufen musste.“

Die Lebensgeschichte der beiden ist alltäglicher, als angenommen: Armin T. Riahi war ein Kleinkind, als seine Familie vor dem iranischen Regime flüchten musste. Einige Familienmitglieder flohen in die USA oder nach Schweden, seine Eltern nach Österreich. Anders Rahoma: Sein Vater kam 1973 aus Ägypten nach Weiz in die Steiermark, 1975 kam dort Faris zur Welt. Und wie fühlen sie sich heute in ihrem Umfeld, wo fühlen sie sich integriert? Rahoma: "Am stärksten integriert fühle ich mich, halb Steirer, halb Ägypter und Vollblut-Wiener, in Weiz, in der Steiermark, dem grünen Herz Österreichs, meinem Geburtsort.“ Und Riahi: "Mein Freundeskreis ist gemischt und ich werde weniger mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert.“ Man könne sich, so Riahi, in Österreich auch komplett assimilieren, aber sein Aussehen, "das wird man nie los“.

Schwarzkopf

Mehr über den Film unter:

www.schwarzkopf-derfilm.com

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