Eine Herausforderung für die Seele

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Immer mehr Menschen fühlen sich von ihrem Leben überfordert und finden sich in belastenden Krisen wieder – ein breites Betätigungsfeld für Psychologen und Seelsorger. Die 65. Evangelische Woche in Wien widmet sich vom 7. bis 13. März dem Phänomen Krise in all seinen Facetten.

Krise – das Wort ist zurzeit in aller Munde. Der Verlust einer geliebten Person, die Erfahrung von Gewalt sowie sexuellem Missbrauch, Mobbing unter Jugendlichen, Arbeitslosigkeit oder der Konsum von Drogen, all das kann eine Krise verursachen.

Gerade Psychotherapeuten und Psychiatrien merken einen Anstieg an Klienten, aber auch die christliche Seelsorge ist mit ihrem spezifischen Angebot mehr denn je gefordert und gefragt.

Dramatische Erlebnisse

„Wenn alle Stricke reißen … Handlungsfähig in der Krise“, mit diesem Thema beschäftigt sich die 65. Evangelische Woche, die vom 7. bis zum 13. März im Wiener Albert-Schweitzer-Haus stattfindet. Zahlreiche Expertinnen und Experten, darunter die evangelische Theologin Susanne Heine, der Vorsitzende des Notfallpsychologischen Dienstes in Österreich Rudolf F. Morawetz und der Notfallseelsorger und Pfarrer Frank Waterstraat beleuchten in Vorträgen und Podiumsdiskussionen unterschiedliche Facetten des Themas aus ihrer persönlichen und beruflichen Perspektive.

Fast jeder Mensch durchlebte in seinem Leben bereits die eine oder andere Krise. Wie er oder sie damit fertig wurde, hängt auch von der Schwere der Krise ab.

In der Seelsorge, aber auch in der Psychologie wird zwischen drei Formen der Intensität von Krisen unterschieden – eine idealtypische Differenzierung, die auf Max Weber zurückgeht.

Von einer „normalen Krise“ wird gesprochen, wenn diese Erfahrung in das integriert werden kann, was man kennt: Darunter fällt beispielsweise Liebeskummer.

Eine „kritische Krise“ liegt dann vor, wenn ein Herauslösen aus dieser Situation nur durch das Dazukommen eines neuen Deutungsschemas gelöst werden kann. In der Seelsorge werden hier oft biblische Texte ins Spiel gebracht, die helfen sollen, die eigene krisenhafte Lage zu meistern.

Die negativsten Auswirkungen hat die „katastrophische Krise“. Dabei handelt es sich um die vollkommene Erschütterung des Orientierungssystems: Die Menschen suchen dann nicht mehr nach Antworten. Oft bedarf es Jahre, manchmal dauert es auch mehrere Generationen, bis eine Sprache gefunden wird, die diese Krise zum Ausdruck bringt.

Bei einem Trauma spielen oft Erlebnisse eine Rolle, die einen bleibenden, nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Dies kann der Verlust einer geliebten Person oder eine dramatische Gewalterfahrung sein. Die Betroffenen fühlen sich oft hilflos einer Situation ausgesetzt, in eine Lage manövriert, die für sie unkontrollierbar ist. So führen Traumata bei Kindern und Jugendlichen oft zu großen psychischen Problemen. Bindungs-, Anpassungs- und Persönlichkeitsstörungen sind oft die Folgen.

„Bei traumatischen Krisen stehen oft Verluste und Einschränkungen im Vordergrund. So ist es wichtig, Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit zu ermöglichen“, erklärt der Notfallpsychologe Rudolf F. Morawetz. „Ein Kontrollverlust ist eine weitere wesentliche Belastung für die Betroffenen.“

„Perspektive auf Gott hin offen“

Der Umgang mit Menschen, die von einer Krise betroffen sind, ist von Person zu Person unterschiedlich. Es kommt dabei auf die Schwere der Krise an und auf die Hintergründe der betroffenen Person: auf die bisherigen Erfahrungen, auf die bereits durchlebten und vielleicht überwundenen Krisen, auf Bildungsstand und kulturellen Hintergrund. „Die Seelsorge kann die psychologische Hilfestellungen vor allem in jenen Fällen unterstützen, in denen ein zumindest in Ansätzen funktionierendes Glaubensgerüst vorhanden ist und eine entsprechende Offenheit der Betroffenen vorliegt“, so Morawetz.

„Die Seelsorge hält immer die Perspektive auf Gott hin offen“, sagt der Notfallseelsorger Frank Waterstraat. Dies unterscheide den Seelsorger vom Psychotherapeuten, der „Gott nicht am Schirm hat“. Die Seelsorge hat dabei immer das Bedürfnis, durch beratendes und helfendes Handeln Menschen in Krisensituationen zu unterstützen. Geschah dies früher oft im Beichtstuhl, in Verbindung mit Zurechtweisungen und moralischen Verurteilungen, wird heute Wert darauf gelegt, die zu helfende Person nicht zu demoralisieren.

Empathie, also die wertschätzende und urteilsfreie Annahme des Gegenübers, hat also in christlichen Beratungsgesprächen Eingang gefunden. „Als Seelsorger gehe ich auf die Nöte meines Gegenübers ein. Es geht darum, Ressourcen zu finden und anzubieten: Das kann die Kontaktaufnahme mit Verwandten oder einem Therapeuten sein, aber auch das Anbieten von Ritualen, sei es das Anzünden einer Kerze oder das Sprechen eines Gebets“, sagt Waterstraat.

„Neben professioneller Hilfe, die in Österreich sehr oft durch spezialisierte Notfallpsychologen geleistet wird, kann ein Glaube eine ganz wesentliche Ressource in der Bewältigung einer Krise sein. Kraft und Optimismus können durch einen Glauben gestärkt werden, sind aber kein Ersatz für psychologische Beratung und Hilfe“, betont Morawetz.

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