Eine Hölle auf Erden

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Nur wenige Monate nach Christian Froschs "Von jetzt an kein Zurück" (vgl. FURCHE 25/2015) kommt mit "Freistatt" ein weiterer Spielfilm in die Kinos, der ein dunkles Kapitel deutscher Erziehungsgeschichte ans Licht zerrt. Im Gegensatz zu Frosch konzentriert sich Marc Brummund in seinem ebenfalls in den späten 1960er-Jahren spielenden Film ganz auf die Heimzeit seines 14-jährigen Protagonisten (stark: Louis Hofmann). An einem Einzelfall deckt er so auf, was vielen Jugendlichen damals widerfuhr und bis heute in ihnen nachwirkt. Denn bis zu 800.000 Kinder und Teenager wurden zwischen 1949 und 1975 in Deutschland unter teils fadenscheinigen Gründen in rund 3000 staatlichen und kirchlichen Heimen weggesperrt.

Einblick in ein sadistisches System

Wenn der Vorspann zu Ende ist, wird Wolfgang schon wegen seines aufmüpfigen Verhaltens gegenüber seinem Stiefvater in die berüchtigte evangelische Erziehungsanstalt Freistatt eingeliefert. Ziel ist dort aber nicht, die Zöglinge zu selbstständigen Menschen zu erziehen, sondern vielmehr ihren Willen zu brechen. In prägnanten, aber teils auch drastischen und schwer zu ertragenden Szenen bietet der Film Einblick in das sadistische System, in dem unübersehbar nationalsozialistische Methoden weiterlebten. Hautnah lässt Brummund den Zuschauer den leidvollen Heimalltag nacherleben, indem er konsequent aus der Perspektive Wolfgangs erzählt. Kein nüchterner Problemfilm ist so entstanden, sondern emotional packendes, handfestes Kino. In Handlungsaufbau und Figurenzeichnung zwar sichtlich am US-Gefängnisfilm orientiert, lässt es aber den realen Hintergrund nie vergessen. Und zeigt eindringlich, wie erfahrene Gewalt selbst gewalttätig macht.

Freistatt

D 2015. Regie: Marc Brummund. Mit Louis Hofmann. Polyfilm. 93 Min.

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