"Eine hysterische Mache"

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Der konservative Ökonom Erich W. Streissler über die Krise der Weltwirtschaft und die falsche Vorgangsweise der Politiker und Medien im Umgang mit der Rezession.

Erich Streissler ist einer der renommiertesten österreichischen Ökonomen. Er erregte zuletzt mit Stellungnahmen Aufsehen, in denen er Bundeskanzler Faymann "null ökonomisches Wissen" bescheinigte. Im Furche-Interview sorgt er sich über den Ruf Österreichs in der Welt.

Die Furche: Sie sind einer der ersten Ökonomen gewesen, die die Wirtschaftskrise vorhergesehen haben. Was ist Ihre Prognose, wie lange wird der Abschwung dauern?

Streissler: Bill Gates sagt, wir haben es mit einer "supernegative crisis" zu tun, das glaube ich auch. Aber ich bin nicht so pessimistisch zu sagen, alles an unserem System ist schlecht und muss geändert werden. Ich glaube wie Gates, dass unsere ökonomische Basis im Wesentlichen gesund ist und dass die Krise einige Jahre - vielleicht drei vielleicht fünf Jahre - dauern wird.

Die Furche: In Österreich rechnet man mit einer ersten Erholung 2010.

Streissler: Ich glaube, dass wir besser aufgestellt sind und der Abschwung nicht so dramatisch ausfallen dürfte. Die Dauer lässt sich aber schwer voraussagen.

Die Furche: Die Krise der 30er Jahre dauerte aber wesentlich länger. Mit dieser Krise wird die aktuelle Rezession oft verglichen.

Streissler: Die Krise in den 30er Jahren hat deshalb so lange gedauert, weil die Nationen und Volkswirtschaften sich voneinander abgegrenzt haben.

Die Furche: Auch jetzt ist wieder viel die Rede davon, dass die Zeit der Globalisierung vorbei sei und nun wieder eine Rückkehr zur regionalen Wirtschaftsstruktur und zur Autarkie folgen werde. Auch die Experten am World Economic Forum in Davos machten sich darüber große Sorgen.

Streissler: Zurecht. Autarkie ist ja wunderbar, wenn man es alleine macht. Wenn es aber auch die anderen machen, dann zahlen eben alle drauf. Das ist leider eine ganz typische Haltung österreichischer Politiker. Wenn man die reden hört, könnte man meinen, außerhalb Österreichs gibt es keine Welt mehr. Bei manchem hat man den Eindruck, der Weitblick endet sogar noch vor der Wiener Stadtgrenze. Das ist eine außerordentlich gefährliche Haltung. In den 30er Jahren hat man Restriktionen betrieben, die alles nur noch schlimmer machten. Als Keynes seine Maßnahmen für Amerika postulierte, gab es darin die Begriffe Import und Export nicht. Warum? Weil der Welthandel komplett zusammengebrochen war.

Die Furche: Aber die USA erholten sich dennoch von der Krise.

Streissler: Nur bedingt. Denn bis zum Kriegseintritt bewirkten die Maßnahmen der Regierung Roosevelt nur eine Eindämmung, keineswegs eine Lösung des Problems. Erst nach dem Kriegseintritt erreichten die USA wieder jene Höhe des Sozialproduktes, das sie 1929 hatten.

Die Furche: Aber die Zahl der Arbeitslosen sank in diesen Jahren immerhin von 14 auf sieben Millionen.

Streissler: Es war eine Eindämmung, aber keine wirkliche Lösung des Problems. Nochmals: So eine wirtschaftliche Verflechtung wie die Globalisierung ist die günstigste Situation, die man derzeit haben kann.

Die Furche: Weltweit steuern die Regierungen mit ähnlichen Maßnahmen wie Roosevelt gegen die Rezession. Halten Sie die für sinnvoll?

Streissler: Nun, zum Teil. Ich bin sehr für die Investitionen in die Bauwirtschaft, weil da unter Umständen etwas Sinnvolles entsteht und dabei auch noch Arbeitsplätze gesichert werden. Ich bin auch für die Investition in Umwelttechnologien. Ich bin aber dagegen, dass man bei der Wissenschaft spart, das ist eine wahnsinnige Sache. Oder dass die Regierung so viel Geld für die Pensionisten und Steuersenkungen ausgibt.

Die Furche: Diese Maßnahmen sollen den Konsum ankurbeln.

Streissler: Es ist schwer zu sagen, ob das wirklich der Fall sein wird. 2004 gab es eine Steuerreform, da errechnete das Wirtschaftsforschungsinstitut, dass diese zusätzlichen Staatsausgaben nur zu 30 Prozent zur Erhöhung des Sozialprodukts beigetragen haben. Warum? Weil beispielsweise das Geld hinausgetragen wird, indem Pensionisten auf Mauritius Urlaub machen; dann ist das Geld eben weg. Keynes konnte in den 30er Jahren für die Vereinigten Staaten noch einen wesentlich höheren Multiplikatoren-Effekt annehmen, weil dort alles Geld im Land blieb. Bei uns in Europa sind diese Werte heute um Vieles geringer.

Die Furche: Österreich ist in Gefahr, wegen des Milliarden-Engagements unserer Banken in Osteuropa von internationalen Rating-Agenturen heruntergestuft zu werden.

Streissler: Richtig ist, dass die österreichischen Banken ungeheure Erfolge in Mittel- und Osteuropa hatten. Eindeutig ist auch, dass uns die Deutschen um diese Stellung beneiden. Deshalb werden wir heruntergeredet. Das ist eine deutsche Verhetzung.

Die Furche: Rufen nicht die Banken selbst um Hilfe bei Bundeskanzler und beim Finanzminister?

Streissler: Sehen Sie sich einmal den Economist an, die weltweit führende Wirtschaftszeitschrift. Dort wird Österreich in einem Atemzug mit Spanien und Griechenland genannt, was seine Budgetneuverschuldung betrifft: Zehn Prozent soll die für das Jahr 2009 betragen.

Die Furche: Es sind aber nur drei Prozent …

Streissler: Eben. Da verstehen Sie, wenn ich sage, das ist eine hysterische Mache. Ich betone also, dass ausländische Nachrichten sehr stark durch das jeweilige Auslandsinteresse beeinflusst sind - und das nicht unbedingt positiv. Weil wir aber kein patriotisches Land sind wie die USA, glauben wir, dass wir viel schlechter sind als der Rest der Welt. Das ist eine sehr negative Einstellung.

Die Furche: Österreich als Opfer?

Streissler: Es passiert eine erschreckende Art der Meinungsmache zum Vorteil anderer Länder, und das Ausmaß, wie man ausgenutzt werden kann, weil man so wenig weiß, ist ganz erstaunlich.

Die Furche: Ist dieses Problem nicht auch hausgemacht?

Streissler: Natürlich wäre es Aufgabe der Regierung, vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen. Leider wurden im September unsinnige Budgetvorstellungen im Parlament verabschiedet, die zu größeren Budgetdefiziten führen. Und nun behaupten viele Journalisten, dass die Maastrichtkriterien nicht mehr gelten würden. Das Gegenteil davon ist wahr. Wenn Staatsekretär Schieder sagt, das Defizit sei derzeit zweitrangig, dann ist er wirtschaftsunkundig. Denn es kann sehr unangenehm werden, wenn man immer wieder von der EU-Kommission und anderen Staaten in der Union gemaßregelt wird. Der Druck wird dann enorm.

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