Eine Kindheit in Äthiopien

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Nicht wie üblich mit einem Establishing-Shot, sondern mit der Detailaufnahme einer jugendlichen Hand, die ein braunes Fell streichelt, eröffnet Yared Zeleke sein unter anderem von ZDF und Arte koproduziertes Spielfilmdebüt. Erst danach springt die Kamera in die Totale, isoliert den Jungen und sein Lamm Chuni in einer weiten Steppenlandschaft.

Der Nähe des neunjährigen Ephraim zu seinem Lamm wird so die Ausgeliefertheit und Isolation in der Weite des äthiopischen Berglands gegenübergestellt und in wenigen Einstellungen wird das Grundthema des Films auf den Punkt gebracht.

Jede Bezugsperson fehlt nämlich diesem Jungen, als er nach dem Tod seiner Mutter mit seinem Vater, der in der Hauptstadt Addis Abeba Arbeit suchen will, das Heimatdorf verlassen muss und bei Verwandten auf einem abgelegenen Hof zurückgelassen wird.

Großartig fängt die Kamera von Josée Deshais die satten grünen Bergwiesen und lehmbraunen Hütten ein, schafft Atmosphäre durch Einbettung der Handlung in den geographisch-sozialen Raum. Gleichzeitig lässt Zeleke aber dem Zuschauer durch den ruhigen Erzählrhythmus auch Zeit, um in diese Welt, von der man sonst nur selten hört, einzutauchen.

Einblick in eine fremde Welt

Geschickt arbeitet der Äthiopier, der in den USA studierte, dabei auch mit Perspektivenwechsel, richtet bald den Blick auf den Jungen, dann wieder aus Ephraims Perspektive auf die Umwelt.

Beiläufig bietet der Debütant so mit der einfachen, insgesamt aber auch etwas zu kindlich glatt erzählten Geschichte einen vielschichtigen Einblick in den bäuerlichen Alltag von der Landarbeit bis zu Festen, aber auch in die gesellschaftliche Struktur und Geschlechterrollen, den Zusammenprall von Tradition und Moderne und das langsame Zerbröckeln alter Ordnungen.

Andererseits macht Zeleke aber auch - unterstützt vom starken Hauptdarsteller Rediat Amare - einfühlsam Ephraims Einsamkeit, seine Sehnsucht nach und Trauer über die Abwesenheit der Eltern erfahrbar, wenn der Junge auf einen Berg steigt, um von dort in seine Heimat zu blicken, oder die Eltern in einem Traum scheinbar ganz real mit ihm picknicken.

Märchenhaft wirkt zwar, wie bei dieser Wanderung plötzlich ein Aufseher im "verbotenen Wald" auftaucht oder wie Ephraim sein Lamm vor der Schlachtung bewahren kann, doch diese Momente stören keineswegs, denn man spürt hier immer, dass dieser bildschöne und bildstarke Film, den Zeleke seiner Großmutter gewidmet hat, ein Herzensprojekt ist und der Regisseur mit persönlichem Engagement dahinter steht.

Lamb

Äthiopien/F/D/N/Katar 2015. Regie: Yared Zeleke. Mit Rediat Amare, Kidist Siyum, Rahel Teshome, Welela Assefa. Polyfilm. 94 Min.

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