Eine Leiche im Haus Berggasse 19

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"Freudsche Verbrechen": Eva Rossmann etabliert sich als Könnerin im Metier des Krimis mit aktuellem politischem Touch.

Es beginnt damit, dass die Ich-Erzählerin unter den wachsamen Augen der Katze Gismo ein Stück eiskalte Butter in die Fischsauce rührt. Und dabei gestört wird, wie es sich gehört, wenn es sich um einen Krimi handelt und die Hauptfigur Journalistin ist. Der Anruf kommt aus dem Haus Berggasse 19. Schließlich heißt der neue Roman von Eva Rossmann "Freudsche Verbrechen". Die Anruferin ist eine alte Schulkollegin und die Ich-Erzählerin, die im so gar nicht krimiträchtigen Lifestyle-Ressort arbeitet, kommt aus einem ebenso originellen wie für Wien blamablen Grund zu ihrer Story: Die Polizei findet das Freud-Museum nicht.

Dort liegt nämlich eine Tote. Beziehungsweise sitzt auf einem Koffer. Die Polizei kommt und kommt nicht. Die Schulfreundin bekommt es mit der Angst zu tun. Die Ich-Erzählerin ist also vor der Polizei da, die Kollegenschaft vom Lokalteil hingegen steht auf der Straße. So schlittert sie in den Kriminalfall hinein.

Sehr wider Willen. Sie war gerade auf dem Sprung, auf ein paar Tage nach Venedig zu fahren und dessen gute Küche zu genießen. Aber daraus wird wieder einmal nichts. Statt in Venedig landet sie in New York, das sie aber nicht weniger liebt. Was auf diese Weise losgeht, lässt den Leser nicht mehr los. Hält Leserin und Leser bis zur letzten Seite in Spannung und hat dabei Niveau. Wenn es mit rechten Dingen zuginge, was es im internationalen Verlagsgeschäft freilich selten tut, wäre Eva Rossmann eine Krimi-Karriere in der Donna-Leon-Kategorie zu prophezeien. Sie kann nicht nur spannende Handlungen stricken, sondern versteht sich offenbar auch auf Krimi-Handlungen, die auf politisch und zeitgeschichtlich neuralgische Punkte zielen. Und auf die Kunst, eine solche Handlung so virtuos abzuspulen, dass es nicht krampfig oder aufgesetzt wirkt.

Das Ganze in einer leichten, lockeren und streckenweise kunstvoll schnoddrigen Sprache, in der Leserin und Leser zwischendurch manchmal "da schau her" zu sich selber sagen. Denn die Einfachheit, mit der sie so komplizierte Dinge wie das Hin- und Hergerissenwerden eines Menschen zwischen widerstreitenden Gefühlen auszudrücken weiss, ist gekonnt. Und zwischendurch gibt es jene Stellen, die einen Roman so verbessern wie ein paar von der Trüffel heruntergehobelte Scheibchen ein simples Spaghettigericht.

Dabei stellt Eva Rossmann ihr schreiberisches Können nie zur Schau. Sie macht keine stilistischen Turnübungen, sondern schreibt ganz einfach (bloß: als ob das so einfach wäre!) knappe, meist kurze, gut gebaute und auf spartanische Weise schöne Sätze. Marcel Reich-Ranicki könnte sich ohne weiteres herbeilassen, den Roman als Beispiel für ein virulentes Genre in einem seiner letzten, leider immer spannungsloseren "Literarischen Quartette" zu bereden.

Worum geht es? Wer könnte auf die reizvolle, in der Durchführung aber doch etwas riskante Idee gekommen sein, ausgerechnet im Freud-Museum eine junge amerikanische Touristin zu ermorden? Noch dazu am Ende eines Tages, an dem ein japanisches Fernsehteam die Räume unsicher macht? Denn das Freud-Museum ist zwar rund um den Globus ein Begriff, aber in einem zum Einsatzort rasenden Polizeiwagen auf die Schnelle nicht so leicht zu finden wie das Kunsthistorische oder auch nur das Uhrenmuseum. Dabei heisst der Kommissar Zuckerbrot und ist jüdischer Herkunft.

Eva Rossmann wird dabei, und das ist eine ihrer Stärken, niemals vordergründig oder gar grobschlächtig. Nicht bei der Zeichnung österreichischer Polizisten, die das Freud-Haus in der Berggasse nicht finden, und auch nicht, wenn sie amerikanische Reporter auf die Schaufel nimmt, die in Schwechat bereits mit dem festen Bild von Wien als Nazinest aus dem Flugzeug steigen und alles ganz genau wissen. Nachdem die Ich-Erzählerin dem Polizeikommissar ein paar Unfreundlichkeiten wegen seiner ihr lax oder feig oder beides erscheinenden Vorgangsweise um die Ohren gehaut hat, schlägt er sie mit den Hinweis auf seine von den Nazis ermordeten Verwandten verbal k.o., wenigstens für den Moment, was bei dieser Frau auch schon ein kleines Kunststück ist. Womit wir mitten in den politischen und zeitgeschichtlichen Dimensionen einer Geschichte sind, die wir hier freilich nur zaghaft andeuten wollen, um Leserin und Leser nicht das Vergnügen zu verderben.

Gewisse Spuren führen die Reporterin zu einem Haus, von dem sich herausstellt, dass es einst arisiert wurde, was aber schließlich alles andere als ein Einzelfall ist. Und auch kein Grund für einen Mord. Kunstvoll werden Spuren gelegt, auf spannende Weise, und dies nicht nur im vordergründigen Krimi-Sinn. Eva Rossmann legt Spuren in eine weit zurückliegende Vergangenheit. Lebensgeschichten kreuzen sich auf im Moment überraschende, aber zugleich ganz plausible Weise.

Spuren verdichten sich, verlieren sich, das Ende ist ein Showdown, der sich gewaschen hat. Er ist direkter als in einigen neueren Romanen von Donna Leon, aber auch nicht so aufgesetzt wie meistens bei Henning Mankell. Eva Rossmann ist jedenfalls eine Krimi-Autorin, die das Zeug hat, nicht nur in Österreich gelesen zu werden.

Ein echter Wurf ist ihre zweite Hauptfigur, offenbar auch eine stehende Besetzung. ("Freudsche Verbrechen" ist nicht der erste Mira-Valensky-Krimi der Autorin, aber der erste des Rezensenten.) Mira Valensky, die nach Österreich zugewanderte Haushaltshilfe der Ich-Erzählerin, hat nicht nur das Herz auf dem rechten Fleck, sondern auch einen wachen Verstand, Mutterwitz und Mut. Sie spielt nach wohlbekanntem klassischem Vorbild, Edgar Wallace schau abi, das alter ego der Erzählerin. Bei dieser Erfindung mag der erhobene Zeigefinger eine Rolle gespielt haben. Auch in der Handlung ist der Umgang mit Ausländern, wie er sein sollte beziehungsweise nicht ist, nicht ganz dünn aufgetragen.

Was aber, weil dramaturgisch effektvoll eingesetzt und erzählerisch perfekt gemacht, weiter überhaupt nicht stört. Mira Valensky ist lustig, bereichert die Handlung, wagt sich in die unmöglichsten Situationen, legt einen perfekten Auftritt als "Gattin des slowenischen Botschafters" aufs Parkett und ist überhaupt ein Vergnügen.

Ob der Beschreibung der Köstlichkeiten, welche die Reporterin für sich selber kocht, und der Schilderung, wie sie es Schritt für Schritt macht, wird einem der Mund wässrig. Welche Enttäuschung, am Ende zu erfahren, von welchen Meisterköchen die Rezepte stammen. Und der Rezensent dachte schon, Eva Rossmann koche das alles aus dem Handgelenk. Möglicherweise ein sexistischer Gedanke, wie er leider zugeben muss.

FREUDSCHE VERBRECHEN

Roman von Eva Rossmann

Folio Verlag, Wien 2001

284 Seiten, geb., öS 277,-/e 20,16

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