Eine Nacht im Eishotel

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In der weißen Wildnis von Grönland, dem kältesten Land der Erde

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In der weißen Wildnis von Grönland, dem kältesten Land der Erde

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Did you sleep comfortable?" Haben Sie angenehm geschlafen?" Ida Birch öffnet die Tür zum Hotelzimmer, ein eisiger Wind weht herein. Draußen hat es minus 39 Grad. In unserem Zimmer ist es aber viel wärmer. Das Thermometer zeigt behagliche 15 Grad, allerdings auch unter Null! Bei der komfortablen Unterkunft handelt es sich nämlich um das Hotel Igloo, das Eishotel von Kangerlussuaq im Westen Grönlands.

Mitten im arktischen Winter bietet Grönland ein unvergessliches Erlebnis. Eine Nacht bei minus 39 Grad in einem Iglu aus Eis und Schnee. Eine Nacht in einem natürlich klimatisierten Schneehaus, genauso wie die Eskimos, die Inuits, die jahrhundertelang in der eisigen weißen Wildnis der Arktis überlebt haben. "Eine Nacht, die Sie für den Rest Ihres Lebens nicht vergessen werden!", versichert Siw M¿ller Kristensen von Greenland Tourism.

Grönland ist, auch wenn der normannische Seefahrer Erik der Rote das Land um 980 "Grünland" nannte, das kälteste Land der Erde. Und in Grönland sind Thule (Qaanaaq) sowie Kangerlussuag die Kältepole. Im Jänner hat es durchschnittlich minus 33,5 Grad, es sind aber auch schon mehr als minus 55 Grad gemessen worden. Die Luft ist allerdings sehr trocken. Das Klima in Grönland "empfindet man allgemein als sehr angenehm" steht dazu im Reiseführer. Ob das auch für eine Nacht in einem Iglu am Polarkreis gilt?

Seit drei Jahren betreibt das Team Arctic ab November direkt neben dem Airporthotel Kangerlussuaq einen traditionellen Iglu. Nur etwas größer. Mit seinen sechs "Doppelzimmern" und zwei Gemeinschaftsräumen, einer davon sogar mit Eisbar, ist der Iglu fast schon ein kleines Hotel. Natürlich ohne Heizung, Wasser und Strom. Die Bauzeit betrug eine Woche, erzählt Ida Birch. Der Bau selbst wurde recht unkonventionell hochgezogen. Mehrere große Ballons wurden tagelang mit Schnee und Wasser überhäuft, bis eine tragfähige etwa einen Meter dicke Halbkugel entstand.

Die Inuits bauen ihre Iglus (das ist ihr Name für Haus), die ihnen meist nur als Biwak, bei einigen Stämmen im hohen Norden aber auch als vorübergehende Winterunterkunft dienen, anders. Mit einer großen Säge schneiden sie etwa 80x40x10 Zentimeter große Blöcke aus gepresstem Schnee und fügen sie in mehreren Reihen spiralenförmig und leicht nach innen geneigt aneinander. Die Schneeziegel stützen sich selbst und werden zu einem kleinen Eisdom geformt, der an der windabgewandten Seite ein Luftloch hat. Der Eingang dient als Kälteschleuse, die warme Luft sammelt sich in der Eiskuppel, die schwerere kältere Luft bleibt im tiefer gelegenen Eingang. Ähnlich wie beim Eishotel werden mehrere Iglus zusammengebaut und durch niedrige Tunnels miteinander verbunden. Ein geübter Inuit benötigt für einen einfachen Iglu nur eine (!) Stunde.

Einen Bacardi, ohne Eis, bitte!

Wie die Iglus der Inuits steht auch das Eishotel nur ein halbes Jahr. Im April, wenn es auch in Grönland etwas wärmer wird, schmilzt der Bau. Nun im Februar und März ist aber Hochsaison. 300 dänische Kronen, etwa 555 Schilling, kostet eine Nacht, die man nie vergisst.

Vom Airport Hotel sind es nur wenige Schritte bis zu den sechs Iglus. Bei minus 39 Grad reicht aber auch der kurze Weg, um den Kopf tiefer in den Daunenanorak zu ziehen. Im Iglu ist es deutlich wärmer, immerhin 24 Grad mehr als draußen. Das spürt man sofort, auch wenn das Thermometer immer noch minus 15 Grad anzeigt.

Ida Birch wartet schon, sie macht die "Betten", indem sie Felle von Moschusochsen und Rentieren auf einem Holzgestell drapiert. Der etwa zweieinhalb Meter hohe Iglu ist spärlich möbliert. Neben arktisch erprobten Schlafsäcken bringt Ida auch noch eine Flasche Bacardi. Zum Aufwärmen. "Eiswürfel benötigen Sie aber keine!" scherzt sie.

Zu-Bett-gehen ist in einem Iglu einfach. Am besten lässt man die ganze Kleidung an, nur Schuhe und Anorak braucht man nicht. Einen Pyjama aber auch nicht. Ratsam ist eine Pelzmütze oder zumindest eine Haube. Waschen entfällt dafür. Der Daunenschlafsack soll Temperaturen bis minus 40 Grad stand halten. Und wirklich - bei "nur" minus 15 Grad wird einem rasch warm.

Im Schlafsack ist es fast komfortabel, nur das Einatmen der kalten Luft ist unangenehm. Nach wenigen Minuten weiß man aber, wie es geht. Man zieht den Kopf tief in die Kapuze des Schlafsackes, sodass man ein leidlich angenehmes Gemisch aus warmer - verbrauchter - und kalter - frischer - Luft einatmet. Der Bacardi und die wohlige Wärme machen rasch müde. Martin Skafte, eine Däne, mit dem ich Iglu und Nachtlager teile, schläft wie ein Murmeltier, ich selbst fahre aber mehrmals aus dem Schlaf hoch. Früh am Morgen sind wir aber trotzdem beide froh, dass die Nacht vorüber ist. Ein Blick auf das Thermometer zeigt, dass es noch kälter geworden ist. Minus 41 Grad!

Mit 2,175.600 Quadratkilometern (etwa sechsmal so groß wie Deutschland) ist Grönland die größte Insel der Erde. Nur etwa 15 Prozent sind eisfrei. Die Hauptstadt ist Nuuk, insgesamt leben etwa 55.000 Inuits auf Grönland.

Eiskaltes Abenteuer mit dem Hundeschlitten Die "grüne" Insel ist extrem teuer. Team Arctic (Team Arctic, DK-2770 Kastrup, Amager Landevej 171 c, Tel: 0045 32 52 30 66, Fax: 0045 32 52 30 86. E-Mail: team@teamarctic.dk, http://www.teamarctic.dk) bietet aber sehr günstige Packages für ein verlängertes Wochenende (Freitag-Montag) ab Kopenhagen um 2.295 dänischen Kronen (etwa 4.200 Schilling), Vollpension 395 Kronen (730 Schilling). Die dänische Hauptstadt erreicht man von Österreich am günstigsten mit dem Zug (ein halber Nachmittag und eine Nacht), am schnellsten mit dem Flugzeug.

Kangerlussuaq, (dänisch: Sondre Stromfjord, der große Fjord), ist eine aufgelassenen Basis der US Air Force, die hier ab 1941 bis zum Ende des Kalten Krieges den Luftwaffenstützpunkt Sondrestrom unterhielten. Heute ist der Flughafen das Tor nach Grönland. Gut 80 Prozent aller Flüge (weiter nach Ilulissat und der Disko Bucht mit den faszinierenden Eisbergen oder nach Nuuk, der Hauptstadt) werden über Kangerlussuag abgewickelt. Kangerlussuag liegt, wie der Name schon sagt, an einem 170 Kilometer langen Fjord tief im Inneren Grönlands. Das Klima ist deshalb besonders stabil. Besonders kalt im Winter, aber auch verhältnismäßig warm im Sommer. 18 bis 20 Grad sind nicht selten.

Wer die frostige Nacht gut überstanden hat, ist fit für ein weiteres eiskaltes Abenteuer, eine Hundesschlittenfahrt. Im Gegensatz zur Moschusochsensafari, bei der man die büffelähnlichen zotteligen Tiere aus dem geheizten Allrad besichtigen kann, ist man beim "Dog-sleigh-trip" der bitteren Kälte fast schutzlos ausgeliefert. Aka Peter Smidt, der musher, der Hundeschlittenführer, hat uns zwar dicke Robbenfellkleidung und schwere, doppelt gefütterte Stiefel mitgebracht, bei minus 41 Grad ist eine Hundeschlittenfahrt aber "no joke", kein Spaß mehr, wie er sagt. Eine Hundesschlittentour kostet 575 Kronen (1.060 Schilling), eine Moschusochsensafari kommt auf 150 Kronen (280 Schilling) und eine Fahrt zum Inlandseis auf 400 Kronen (740 Schilling). In freier Natur geht es bei diesen Temperaturen nur ums Überleben. Wir begnügen uns daher mit einer kurzen, eineinhalbstündigen Fahrt über den zugefrorenen Fjord. Zehn Hunde ziehen den leichten Holzschlitten, auf dem zwei Personen gerade noch Platz finden. Der scharfe Fahrtwind macht die Kälte noch unerträglicher. Der Körper ist durch die Robbenfelle zwar gut geschützt, Finger und Zehen werden aber rasch klamm und schmerzen. Obwohl ich das Gesicht tief in die Kapuze stecke, habe ich nach der Rückkehr leichte Erfrierungen. Eine Wange ist ganz weiß. Für Aka Peter nichts Ungewöhnliches. Er nimmt rasch ein Handvoll Schnee und reibt mir damit das Gesicht ein. Nein, minus 41 sind kein Spaß. Deshalb musste auch der Kommandant der US Airbase wohl etwas nachhelfen, um seine Soldaten für das Leben in Grönland zu begeistern. "Sondrestrom is a nice place to live!" ließ er dekretieren "By order of the Basecommander!"

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