Eine nicht immer rosige Beziehung

Werbung
Werbung
Werbung

Die Niederlande und Österreich verbindet eine gemeinsame Geschichte. Noch immer sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern mannigfaltig.

Porträts niederländischer Könige und Prinzen vom Begründer des Hauses Wilhelm von Oranien bis hin zum derzeitigen Thronfolgers und seiner frisch angetrauten Gattin: Was sich auf den ersten Blick als geschickte Anbindung an das Medienspektakel der niederländischen Prinzenhochzeit präsentiert, ist vielmehr auch das erste tastbare Ergebnis einer sogenannten Buchpatenschaft. Als die niederländische Botschaft 1997 finanzielle Hilfe zur Instandsetzung von alten Werken aus dem Besitz der Nationalbibliothek anbot, stieß man auf die überraschend vielen Oranierporträts. Für die Nationalbibliothek ist die Ausstellung "Oranien - 500 Jahre Bildnisse einer Dynastie" (bis 19. März) der erste Beweis für den Erfolg der Idee, Privatsponsoren für die teuren Konservierungsarbeiten zu finden. Zugleich illustriert die Ausstellung, wie sehr man sich in Österreich auch schon in früheren Jahrhunderten für die Niederlande interessierte. Dabei war die Beziehung nicht immer rosig.

Als der Habsburger Maximilian 1477 durch seine Heirat mit Maria von Burgund die Kerngebiete der heutigen Benelux-Länder erwarb, stand vor allem das Gebiet um Brüssel im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Dort tat sich für Maximilian eine neue Welt der kulturellen Verfeinerung und auch der ehelichen Liebe auf, der er nach Marias frühem Tod zeitlebens nachweinte. Die Schätze des Ordens vom Goldenen Vlies kamen auf diese Weise nach Wien, ebenso das Wort Etikette in seiner heutigen Bedeutung.

Mit seinen Nachfolgern war man in und um Holland nicht zufrieden. Auf Aufstände und einem jahrzehntelangen Krieg folgte 1648 die offizielle Anerkennung der nördlichen Beneluxgebiete als Republik der Vereinigten Niederlande. Die Habsburger, denen das heutige Belgien verblieb, waren zwar mittlerweile die des spanischen Zweigs, aber sie unterhielten gute Kontakte zur österreichischen Linie. Es verwundert daher nicht, dass die Beziehungen zwischen der katholischen Habsburgermonarchie und der progressiven Republik mit ihrem ausgeprägten Handelsinteresse und der Vorherrschaft des Kalvinismus ziemlich frostig waren. Die wenigen wichtigen Kontakte lagen lange vor dem Krieg: 1575 wurde der Niederländer Hugo Blotius zum ersten Leiter der Hofbibliothek, der Vorläuferin der heutigen Nationalbibliothek, berufen. Erst 1665 wurden - vorerst noch sehr zaghafte - diplomatische Beziehungen zwischen der Republik und Österreich aufgenommen.

Gerard van Swieten

1713 erwarben die österreichischen Habsburger nach dem Aussterben des spanischen Zweigs das südliche Beneluxgebiet für sich. Diese "Österreichischen Niederlande" wurden von Wien aus regiert, aber man begnügte sich im Wesentlichen mit der Entsendung von Gouverneuren. Maria Theresia schien sich mehr für Persönlichkeiten aus der benachbarten Republik zu interessieren, dem ehemaligen Feind. Allerdings war die Blütezeit dieser Republik damals schon vorbei, wodurch sich auch die Gegensätze ein wenig gemildert haben dürften. Der bekannteste Niederländer, den Maria Theresia nach Wien kommen ließ, war Gerard van Swieten, Schüler von Hermann Boerhaave, dem berühmtesten Arzt des 18. Jahrhunderts. An ihn, der selber nie in Österreich war, erinnert heute noch die Boerhaavegasse. Auch die Jacquingasse, in der sich heute übrigens die Residenz des niederländischen Botschafters befindet, erinnert an einen berühmten Zuwanderer aus den Niederlanden: Nicholas von Jacquin war als Botaniker verantwortlich für die kaiserlichen Gartenanlagen. Van Swieten und vor allem sein Sohn Gottfried bauten die Hofbibliothek zu einer wissenschaftlichen Bibliothek aus.

1795 wurden die Habsburger aus den niederländischen Besitzungen vertrieben, und das gesamte Beneluxgebiet, also auch die einstige Republik, kam unter den Herrschaftsbereich von Napoleon. Als nach dessen Niederlage Europa beim Wiener Kongress neu verteilt wurde, errichtete man das Königreich der Niederlande. König wurde ein Oranier, da sich dieses Geschlecht schon als die Leiter der Republik etabliert hatte. Zwischen ihm und Kaiser Franz II. (später: Franz I.) herrschten gute Beziehungen. Der Sammelleidenschaft dieses Kaisers sind übrigens auch die Exponate der Ausstellung zu verdanken. Franz sammelte alles, was er an Bildern bekommen konnte, und bei einem so alten Geschlecht wie den Oraniern war das natürlich nicht besonders schwer. An die Niederländer erinnert übrigens noch eine weitere Wiener Straße: die Hollandstraße erhielt ihren Namen 1919 aus Dankbarkeit für humanitäre Hilfe nach dem Ersten Weltkrieg.

Apropos Weltkrieg: Die Niederländer sind im Allgemeinen nicht gut zu sprechen auf ihre deutschen Nachbarn. Als Grund dafür wird meist die Besetzung der Niederlande durch die Nationalsozialisten genannt und der Holocaust, der die sprichwörtlich bekannte Toleranz der Niederlande gerade den Juden gegenüber, mit Füßen trat. In Wahrheit ist auch die Angst vor dem großen und mächtigen Nachbarn mitverantwortlich dafür. Wahrscheinlich freuen sich die Niederländer deswegen so euphorisch über die Prinzessin aus Argentinien, weil es das erste Mal seit vielen Jahrzehnten ist, dass ihr(e) Monarch(in) den Ehepartner nicht aus Deutschland holt.

Arthur Seyß-Inquart

In dem Maß, als Deutschland die nationalsozialistische Vergangenheit aufarbeitete, rückte Österreich für die Niederländer als Hort des Antisemitismus ins Blickfeld. Besonders der Skandal um Kurt Waldheim machte den Niederländern bewusst, dass der oberste Besatzer, Arthur Seyß-Inquart, ein gebürtiger Österreicher gewesen war, ebenso wie der niederländische Parade-Antisemit Rost van Tonningen den Judenhass nach eigener Angabe in Wien kennen gelernt hatte, oder der Polizist, der Anne Frank verhaftete, Wiener war. Trotzdem war es gerade die niederländische Königin, die Anfang 2000 mitten im Sanktionsfieber ihrem österreichischen Wintersportort demonstrativ treu blieb.

Aber nicht erst seit damals stößt man in Österreich auf Bewunderung für die Niederlande. Es mutet schon fast kurios an, wie Politiker aller Couleurs immer wieder Vorbilder in den Niederlanden entdecken: Privatisierung und flexible Arbeitsverhältnisse die einen, Drogenpolitik und Euthanasie die anderen, das Integrationsmodell derzeit sogar Regierung und Opposition gleichermaßen. Vielleicht liegt das aber daran, dass die Niederlande derzeit wirtschaftlich ein zweites Goldenes Zeitalter zu erleben scheinen und sich der sprichwörtliche holländische Kaufmannsgeist bestens bewährt. Vielfach hört man ja, Willem-Alexander und Máxima hätten nicht so ganz zufällig in einem Gebäude geheiratet, das ursprünglich für Börsengeschäfte erbaut worden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung