Eine Oper über ein ungewöhnliches Hörerlebnis

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Die neue Oper Wien zeigt mit einer engagierten Darstellung die letzte Version von Herbert Willis Operneinakter „Schlafes Bruder“ im Wiener Museumsquartier. Regisseur Leonard Prinsloo versucht, angeregt durch die unterschiedlichen Bewegungsabläufe der Musik, die Szenerie vor allem choreografisch einzufangen

Gleich das erste Buch ein Welterfolg. Traum, aber auch Albtraum jedes Schriftstellers. Vor allem, wenn es nicht gelingt, auch weiterhin die hohen Erwartungen zu erfüllen. Komposition, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft hat der aus Bregenz stammende Robert Schneider studiert, ehe er sich ganz auf das Schreiben konzentrierte. Und gleich mit „Schlafes Bruder“ gelang ihm ein von Kritik wie Publikum gleichermaßen akklamierter Bestseller. Diese Geschichte des von einem ungewöhnlichen Hörerlebnis unerwartet getroffenen Bergbauernsohnes Elias, dessen musikalische Begabung die zwischenmenschliche Kommunikation fast unmöglich macht und der, um seine Liebesfähigkeit zu Elsbeth wiederzugewinnen, schließlich beschließt, auf den Schlaf zu verzichten. Womit er seinen frühen Tod herbeibeschwört. Da hilft auch das Zureden seines Freundes Peter nichts.

Ein Thema mit vielen Facetten

Genie und Kommunikation: Ein Thema, das in seinen verschiedenen Facetten stets aktuell bleiben wird. Wie oft misstraut man den Propheten im eigenen Land, lässt kurzzeitige Bequemlichkeit über langfristige Notwendigkeit dominieren, versucht erst gar nicht, andere zu verstehen.

Herbert Willi, ebenfalls aus Vorarlberg stammend, hat sich, mit dem Buchautor als Librettisten, dieses Stoffes angenommen. Anlass war ein Auftrag zum österreichischen 1000-Jahr-Jubiläum. Allerdings nicht aus Österreich, sondern vom österreichischen Intendanten der Zürcher Oper, Alexander Pereira. 1996 fand die Uraufführung in Zürich statt. Wenig später wurde die Oper auch in Wien, anlässlich der Wiener Festwochen, gezeigt.

In der Folge arbeitete Willi, einer der erfolgreichsten und international anerkanntesten österreichischen Komponisten der Gegenwart, das Stück um. Er erweiterte es um einen Prolog, strukturierte das Finale um, das im Gegensatz zur literarischen Vorlage die Hoffnung auf ein Miteinander aufkommen lässt. Mehr als in der Erstfassung der Oper setzt der Komponist auf Dramatik, ohne von seinem Grundkonzept, abzuweichen: einer Verbindung aus symphonisch inspirierten Instrumentalteilen, lyrisch dominierten Gesangsszenen und einem gezielten Einsatz der Sprache, um diesen Konflikt zwischen Musik und Sprache deutlich hervorzukehren.

Jetzt hat sich die Neue Oper Wien dieses Einakters in einem Prolog, acht Szenen und Epilog, der in dieser Fassung bereits im März 2008 am Stadttheater Klagenfurt zu sehen war, angenommen. In der Regie des mit der Neuen Oper schon seit Jahren eng zusammenarbeitenden Leonard Prinsloo. Er versucht, angeregt durch die unterschiedlichen Bewegungsabläufe der Musik, die Szenerie vor allem choreografisch einzufangen. Umso dramatischer präsentiert er die sich unterschiedlich entwickelnden Liebesbeziehungen von Elsbeth zu Elias und Lukas.

Kuben (Ausstattung: Monika Biegler) dominieren die Bühnenarchitektur. Einer dient als Projektionsfläche (Video: Sigrid Friedmann und Ulrich Kaufmann), um die einzelnen Visionen zu suggerieren. Eine gezielte Lichtregie (Norbert Chmel) und die immer wieder mit Masken erscheinenden Protagonisten deuten auf das Parabelartige des Stoffes: Man versteckt lieber die eigene Identität, als das Miteinander mit einem, selbst mit Kommunikationsproblemen kämpfenden, genialischen Einzelgänger zu suchen.

Viel Faible für Details

Sorgfältig einstudiert präsentierte sich das von Walter Kobéra geführte, das vielschichtige Lineament des Stücks mit viel Faible für Details herausarbeitende amadeus ensemble-wien. Unterschiedlich verständlich agierte der Sprechchor der Neuen Oper. Bei den Solisten – voran die Darsteller von Eliaskind (der hochbegabte, erst achtjährige Leonid Sushon), Elias (der konturiert artikulierende Gernot Heinrich), Elsbeth (die emphatisch gestaltende Judith Halász) und Kurat (der auch als Sprecher markante Stephan Rehm) – stand weniger die individuelle Gestaltung als eine in sich geschlossene Ensembleleistung im Vordergrund.

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