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Wiener Ausstellung zeigt die Kontinuität politisch engagierter Kunst.

Seit dem 11. September 2001, dem Afghanistan- und dem Irak-Krieg sei die Kunst wieder politischer geworden - so eine gängige Auffassung innerhalb des Kulturbetriebs. Eine Annahme, die durch die Documenta 11 (2002) bestätigt, durch die heurige Biennale in Venedig allerdings widerlegt wurde. Denn hier hat wohl kaum jemand von einer angeblichen "Repolitisierung" der Gegenwartskunst etwas zu spüren bekommen. Es dürfte also stark an den Kuratoren liegen, inwieweit die Aufmerksamkeit auf künstlerische Praktiken gelenkt wird, die gesellschaftliche und politische Bedingungen in ihren Arbeiten reflektieren.

Anfang des Jahres hat ein mehrtägiges Symposium in Berlin unter dem Titel "Klartext! Der Status des Politischen in aktueller Kunst und Kultur" versucht, die Beziehung zwischen Kunst und politischem Aktivismus neu zu bestimmen. Einer der prominentesten Teilnehmer war der in New York lebende deutsche Künstler Hans Haacke, der seit den 1960er Jahren zu den bedeutendsten Vertretern einer politisch engagierten Kunst gehört. Haackes Teilnahme sprach für die Kontinuität von Polit-Kunst. Denn politisch und sozial engagierte Kunst hat es immer gegeben. Auch in den 80er Jahren Jahren, als die fröhlich-unpolitische Kunst eines Jeff Koons das Kunstgeschehen kurzzeitig dominierte.

Speziale Kartografie

Eine der frühesten Arbeiten Haackes, in denen der Künstler gesellschaftspolitische und ökonomische Systeme analysierte, ist derzeit in der Wiener Generali Foundation zu sehen. Die 40 m lange Wandinstallation bildet den Kern einer Gruppenschau, die der Frage nachgeht, wie Gesellschaft und Politik ins Bild kommen.

Haackes Foto-Diagramm ist das Ergebnis einer Recherche, die der Künstler 1969 in einer New Yorker Galerie durchführte. Anstatt Bilder an die Wand zu hängen, lud Haacke die Galerie-Besucher ein, auf einer Karte ihre Wohn- und Herkunftsadresse mittels roter und blauer Nadeln zu markieren. Später fotografierte Haacke die Häuser und ordnete die Schwarzweißfotos oberhalb und unterhalb einer Linie an, die für die 5th Avenue steht. Die Fotoinstallation kommt also einer sozialen Kartografie des Kunstpublikums von Manhattan Ende der 60er Jahre gleich. Haackes Arbeit ist eines der schönsten Beispiele dafür, dass sich eine künstlerische Herangehensweise - auch wenn sie soziologisch vorgeht, einer ganz spezifischen Formensprache bedient. Auf ungemein ästhetische Weise hat Haacke die Ergebnisse seiner Erhebung visuell verarbeitet.

Neben Hans Haacke gehört die amerikanische Künstlerin Martha Rosler zu den in der Ausstellung vertreten Altstars. Bekannt wurde Rosler in den 70er Jahren durch die Fotomontageserie "Bringing the War Home". Die Montagen aus Vietnambildern und Fotos amerikanischer Statussymbole - entnommen aus "Schöner Wohnen" und dem "Life Magazine" - artikulierten Roslers Unmut über die Berichterstattung des Vietnamkriegs. Publiziert wurden die manipulierten Szenen ohne Begleittext in alternativen Zeitschriften Südkaliforniens. Dabei ging es Rosler um ein Bewusstmachen der Divergenz zwischen dem "Krieg in der Ferne" und dem "Krieg zu Hause", wie wir ihn medial gefiltert jeden Abend vor den Fernsehschirmen erleben. Angesichts des Irakkriegs hat Rosler die legendäre Serie im letzten Jahr fortgesetzt. Die neuen erstmals in Wien gezeigten Fotomontagen wie "Election" oder "Gladiators" kommen an die Kraft der 70er-Jahre Montagen allerdings nicht heran. An der Neuauflage dieser einst so eindrucksvollen Serie wird sichtbar, dass jede Zeit und jeder Krieg spezifische künstlerische Akzentuierungen braucht, um im Betrachter etwas zu bewirken. Die Bilder des Vietnamkriegs können nicht einfach durch Bilder des Irakkriegs ersetzt werden.

Konkrete Interventionen

Im Unterschied zu Haacke und Rosler haben für jüngere Polit-Künstler formalästhetische Ansprüche kaum mehr Bedeutung. Vielmehr geht es ihnen um konkrete Interventionen - und das Nutzen von Kunsträumen für gesellschaftspolitische Anliegen. Dies kommt in der Generali-Schau deutlich zum Ausdruck. Denn hier erinnert kaum etwas an eine herkömmliche Ausstellung, vielmehr wird der Ausstellungsraum zu einer Präsentationsfläche von auf den ersten Blick "spröden" Projekten, in die der Besucher sich erst langsam einlesen muss.

Besonders überzeugen hier die Projekte von "Klub Zwei" (Simone Bader und Jo Schmeiser). Die beiden Künstlerinnen widmen ihre künstlerische Arbeit seit Jahren den Themen Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. Für die jetzige Schau haben Bader und Schmeiser mit sfc (Schwarze Frauen Community) kooperiert. Dabei entstand ein Transparent, das derzeit vor dem Ausstellungsort auf der Wiedner Hauptstraße hängt, sowie ein Aufkleber mit dem Satz: "Respekt für sichtbare Minderheiten."

Natürlich kann man sich nach der Wirksamkeit und dem politischen Einfluss derartiger künstlerischer Interventionen fragen. Aber: Kunst hatte seit jeher die Aufgabe, zu sensibilisieren und Themen anzusprechen, die von der Politik weggeschwiegen wurden. Wenn es also durch die Kooperation von "Klub Zwei" mit Migrantinnenorganisationen und die Präsentation solcher Projekte im Kunstkontext auch nur zu minimalen Verschiebungen in der öffentlichen Wahrnehmung kommt, dann ist das mehr, als man von Kunst verlangen kann.

Wie Gesellschaft und Politik

ins Bild kommen

Generali Foundation

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien,

Bis 18. 12. Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr Infos zum Veranstaltungsprogramm: http://foundation.generali.at

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